25.8.13 -Asyl/Yonathan-

Predigt 24./25.8.13 Yonatan

 

Oft sitze ich mit meiner Frau auf der Terrasse oder im Wintergarten, wir schauen uns an und wir wissen, uns geht es gut. Alles ist immer wieder gut geworden.

Die Kinder sind gesund, haben eine gute eigene Zukunft.

Die Enkelkinder sind topfit. Keiner von uns ist schwer krank.

Und das Geld reicht gut für alles was wirklich nötig ist.

Aber manchmal bin ich selbst überrascht, dann schäme ich mich und ärgere mich über mich selbst, wenn mir meine eigene Phantasie bewusst wird, wenn ich mir vorstelle, was ich mir trotzdem alles noch wünsche.

Gerne hätte ich ein schickes flottes neues Auto, gerne würde ich mal ohne aufs Geld zu schauen in Urlaub fahren, gerne wäre ich meine leichten Rückenschmerzen los.

Und dabei habe ich deutlich mehr als ich brauche, mehr als viele -sicher mehr als die meisten dieser Welt, ich bin gesünder als manche nur halb so alte.

 

Und dann ist da mein Freund Yonatan, 23 Jahre aus Eritrea, seit 5 Jahren auf der Flucht, seit fast drei Jahren in Deutschland.

Daddy sagt er zu mir und Mama zu meiner Frau.

Und jetzt, morgen wird er abgeschoben – zurückgeführt heißt das – nach Italien und alles beginnt von vorne.

Yonatan spricht gut Deutsch, Yonatan hat einen festen Arbeitsplatz, Yonatan bezahlt seine Miete im Asylheim Wideiweg selbst und Yonatan bekommt von niemandem Unterhalt.

In seiner Heimat Eritrea hätte er mit 18 zur Armee müssen, wobei die Armeezeit im Regelfall zwangsweise lebenslänglich Armee bedeutet.

Er hätte sein Leben lang auf andere schießen müssen.

  • Keine Chance auf Ausbildung.
  • Keine Chance auf Beruf.
  • Keine Chance auf geordnete Familie.
  • Keine Chance auf Einkommen – außer knapp 30 Euro im Monat von der Armee.

Und dann ist er abgehauen in den Sudan – mit 18 Jahren.

1 Jahr musste er warten bis er 200 Dollar zusammen hatte um mit Hilfe von Schleusern durch die Sahara und lybische Wüste an die lybische Küste zu kommen.

40 Personen auf der Ladefläche eines LKW’s auf dem nur 10 sitzen konnten.

20 Tage durch Staub und Hitze.

Nach 10 Tagen waren die Essenrationen weg.

Nach 15 Tagen waren die Wasserreserven aufgebraucht, die Fahrer hatten noch genug.

In der Not wurde der eigene Urin getrunken.

Viele kamen fast bewusstlos am Ziel an.

An Libyens Küste wurde er zwei Mal verhaftet und kam ins Gefängnis, jeden Tag gab es brutale Schläge durch die Wächter, durch Stromschläge wurden Aufmüpfige bewusstlos gemacht.

Eine Tante aus Amerika schickte dann 900 Dollar, damit konnte man sich einen Platz auf einem Schiff kaufen. 250 Leute auf einem Kahn mit 25 Sitzplätzen.

3 Tage durch Sturm und hohe Wellen dauerte es bis Sizilien.

Bei der Anlandung ersoffen einige Frauen und Kinder, die nicht schwimmen konnten.

 

In Italien – das ist auch Europa -wurden alle sofort verhaftet und in ein Stacheldraht umzäuntes Lager gesteckt.

Nach 3 Monaten wurden alle ohne Geld, ohne Hilfe, ohne medizinische Versorgung aus dem Camp geschickt.

Es wurde in Parks und Bahnhöfen übernachtet.

Lebensmittel wurden erbettelt.

Jede Nacht gab es schlimmste sexuelle Belästigungen.

Alles war gesetzlos – alle waren hilflos.

Mit dem letzten Geld machte er sich verbotenerweise im Dezember 2010 auf den Weg nach Deutschland.

Hier sollte es gut sein.

Da gibt es Arbeit.

Man kann was lernen. Man kann zur Schule gehen.

Er beantragte Asyl und wurde schnell nach Verl überstellt.

 

Ein Jahr muss man warten, bis man in Deutschland einen Arbeitsplatz suchen kann, den kein Deutscher ausfüllen oder haben will.

Yonatan lernte Deutsch an der Volkshochschule, auch mit Unterstützung der Caritas und Pfarrer Hölscher.

Und Yonatan hat Arbeit seit nun mehr 16 Monaten.

Und nun – am Montag wird er abgeschoben nach Italien, in das Land seiner größten Ängste, alles war umsonst – 5 Jahre Not, 5 Jahre Angst, aber auch 5 Jahre Hoffnung.

 

Wer wird gerettet? fragten die jünger Jesus.

Eng ist die Tür, die einen retten kann.

Eng ist die Tür in die Zivilisation.

Eng ist die Tür in eine humane Welt.

Eng ist die Tür zur Gerechtigkeit.

Eng ist die Tür nicht nur zum Himmel – eng ist sie auch einfach nur in eine menschlichere Welt.

 

Natürlich ist die ganze Asylthematik viel komplexer, viel differenzierter und unterliegt gesetzlichen Bestimmungen und Verordnungen.

Natürlich können wir nicht ganz Afrika in Deutschland aufnehmen.

Es gab schon immer Menschen, die ihre Heimat verlassen haben oder mussten und sich auf den Weg in ein anderes Land gemacht haben.

Gründe dafür gibt es viele: Krieg und Vertreibung, politische Verfolgung oder schlichtweg Armut.

Wir nennen solche Menschen heute Ausländer, Asylbewerber oder Immigranten.

Wer sein Heimatland verlässt, wird zum Fremden.

Zu allen Zeiten bedeutet dies erst einmal, weniger Rechte im neuen Land zu besitzen.

Die Einheimischen sind nur selten begeistert, wenn Fremde auftauchen.

Sie fürchten um ihren Besitz und ihren Status.

Die Fremden werden deshalb oft als Bedrohung wahrgenommen.

Jesus mit Maria und Josef waren damals auch auf der Flucht, Gott sei Dank sind sie angekommen, Gott sei Dank haben sie eine Bleibe gefunden.

 

Wer wird gerettet ist die Frage an Jesus?

Dem Yonatan und allen anderen wünsche ich das auch!

Das ganze lehrt mich, dass ich mich noch mehr schäme über meine Wünsche.

Ich schäme mich, weil ich manchmal nicht zufrieden bin.

Ich schäme mich, weil ich immer mehr will.

Ich schäme mich für all die Situationen, wo ich einem Fremden nicht geholfen habe.

Das habe ich gelernt, das sagt mir jetzt mein Glaube:

Gerettet wird man wahrscheinlich nur, wenn man versucht wenigstens einen mitzunehmen durch die enge Tür.

 

Dank an alle, die mit versucht haben zu helfen, nicht nur hier in Verl.

 


 

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