16. Sonntag im Jahreskreis 2022 C – Abraham und 3 Fremde
Wow – das ist schon ein Hammer! Das muss man erst mal nachmachen oder selbst erleben. Da kommt ein Fremder, klopft an deine Tür, Du lässt ihn rein, er bekommt zu Essen kann das Bad benutzen und dann stellt sich heraus, dass es sich um Gott handelt, der da vor dir steht.
Verrückt – oder? Was ist das für eine Chance!
So konnten wir das in der Lesung eben hören.
Abraham hat die drei Männer nicht kommen sehen, plötzlich stehen sie da – und er bittet sie zu bleiben.
Als erstes kommt selbstverständlich damals zunächst das Waschen der staubigen Füße. – Und dann erst gibt es was zu essen.
Aber aus dem Bissen Brot und der kleinen Stärkung wird ein üppiges Mahl, so wie Nomaden es damals anbieten können: reichlich Backwaren, Milch und Butter, und zartes Kalbfleisch.
Ok, der Wein fehlt – Nomaden haben eben keinen und Bier gab es noch nicht, aber lebensspendendes Wasser.
Bis hierher ist es die Schilderung ganz normaler orientalischer Gastfreundschaft.
Aber – dass Abraham sich dann vor den Männern auf die Erde wirft, macht deutlich, dass er erkannt hat, dass das hier keine gewöhnlichen Gäste sind.
Wir können es nachlesen, Gott selbst ist es, der zu ihnen gekommen ist. Abraham und Sara aber, merken es erst nach und nach.
Für die Menschen des Alten Orients war die Gastfreundschaft damals eine überlebenswichtige Tugend. Es gab ja keine Hotels und Restaurants. Man war direkt darauf angewiesen, bei wildfremden Menschen unterzukommen.
In der Erzählung wird die gewährte Gastfreundschaft dann zur Gotteserfahrung.
So wie es in einem polnischen Sprichwort heißt: gość w dom, Bóg w dom , das bedeutet – kommt ein Gast ins Haus, ist Gott im Haus. Das sollte man sich über die Tür schreiben: „Kommt ein Gast ins Haus – ist Gott im Haus!“
Durch diese Begegnung wird Abraham plötzlich eine ganz neue Zukunft eröffnet.
Er erfährt, dass Sara doch noch einen Sohn bekommen wird: dieser alte Mann und die auch schon alte Sara.
Gastfreundschaft damals – so wie meistens auch heute, auch durch die Flüchtlinge in Verl – war ein Geben und Empfangen, ein investieren und beschenkt werden.
Man lernte völlig fremde Menschen kennen, man erfuhr die neuesten Nachrichten.
Nicht selten entstanden Freundschaften und manchmal auch Ehen.
Und man konnte damals sicher sein, auch auf den eigenen Reisen immer eine Unterkunft zu finden.
Man brauchte nie das Gefühl zu haben, unerwünscht zu sein.
Man konnte ohne Bedenken Speise und Trank annehmen. Eine eigentlich tolle Zeit damals.
Das hat sich in unserer Zeit und vor allem in unserem Umfeld gründlich geändert.
Würden Sie sich trauen, bei einem wildfremden Menschen an die Tür zu klopfen und um Aufnahme zu bitten?
Würden Sie jemanden in Ihre Wohnung lassen, der Sie um eine Übernachtungsgelegenheit ersucht und vielleicht sogar noch eine dunkle Hautfarbe hat?
Ja, natürlich laden wir auch Gäste ein und sind selbst oft zu Gast. Aber: Meist sind es doch Verwandte, Freunde oder Bekannte.
Und dann gibt es auch noch andere ganz wichtige Orte, wo Gastfreundschaft gelebt werden soll: unsere Kirche, unsere christliche Gemeinschaft.
Wir feiern – ok feiern sieht meistens anders aus – wir sind Teilnehmer an einem Gottesdienst.
Meist sind es ja immer die gleichen Leute, die wir hier treffen – man kennt sich.
Aber immer wieder passiert es, dass auch neue Gesichter auftauchen: Vielleicht Neu-Zugezogene, Flüchtlinge oder Gäste, die zu Besuch hier sind.
Vielleicht kommen sie sogar bald auch zum Pfarrfest. Und was geschieht dann?
Was tun wir?
Haben wir für sie ein freundliches Lächeln? Einen zugenickten Gruß?
Sprechen wir sie vielleicht sogar an und bedanken uns für das Kommen oder Mitbeten?
Oder werden wir von Neugier oder Sorge geplagt: Wer ist denn das – war noch nie da?
Oder denken wir vielleicht:
Was will denn der oder die hier bei uns? Gehört hier doch gar nicht hin.
Wie gastfreundlich sind die Menschen unserer christlichen Gemeinde?
Beim Einkaufen im Elli Markt?
Grüßen wir nur die, die wir sowieso kennen?
Grüßen wir nur die, die auch uns grüßen?
Fühlen wir uns durch Fremde belästigt oder sehen wir darin auch eine Chance?
Warten wir darauf, dass Neu-Zugezogene von sich aus auf uns zukommen, oder kommen wir ihnen entgegen?
Im Hebräerbrief steht: »Vergesst die Gastfreundschaft nicht; denn durch sie haben einige, ohne es zu ahnen, Engel beherbergt.«
Gott kommt zu uns nicht mit Donner und Blitz, mit Macht und Herrlichkeit – das tut er am letzten Tag.
Bis dahin kommt er leise, unscheinbar, oft in menschlicher Gestalt, oft als Fremder, vielleicht sogar als Schwarzer. Die Chance, die Abraham hatte, haben wir auch.
Nur manchmal erfahren wir, so wie Abraham, erst hinterher: In diesem Gast ist uns Gott begegnet. Machen wir die Tür auf!
Amen.