22. So. – Lj. B (Mk 7,1-8. 14-15. 21-23) rein – unrein

22. So. – Lj. B (Mk 7,1-8. 14-15. 21-23) rein – unrein

Ein Bekannter erzählte, wie er kurz nach dem Studium mit ein paar Freunden – so mit Rucksack und Isomatte – eine Asientour unternommen hatte.

Kurz bevor sie aufgebrochen sind, ist er ins Pfarramt gegangen, hat ein leeres Blatt Papier genommen und darauf geschrieben: „Der Inhaber dieses Schreibens darf alles.“ Und dann hat er alle Stempel, die er gefunden hat, auf dieses Blatt gedrückt: Datumsstempel, Pfarrsiegel, Rechnungsstempel, Kopiebeglaubigung, Eingangsstempel und was es sonst noch alles gab. Je größer und je bunter desto besser.

Mit diesem Blatt – so hat er erzählt – sind sie in jeden Park, jeden Tempel und fast jeden Palast hineingekommen. Kein Mensch konnte zwar lesen, was auf dem Blatt draufstand, aber bei den vielen Stempeln seien die Wachmannschaften jedes Mal gleich strammgestanden.

Liebe Schwestern und Brüder,

beim Lesen des Evangeliums habe ich schon ein paar Mal an diesen Bekannten denken müssen: Man muss offensichtlich kein Hauptmann von Köpenick sein, um entsprechenden Eindruck zu machen. Nicht nur eine Uniform -, manchmal reichen auch ein paar Stempel, um sich mit dem Schein amtlicher Vollmacht zu umgeben. Denn sobald irgendetwas amtlich aussieht, fragt kaum noch jemand, was denn eigentlich dahintersteckt.

Aber ein Stempel ist halt nur ein Stempel. Und das ist noch lange nicht gleichbedeutend mit der Vollmacht, die er symbolisiert. Und eine Uniform ist nur ein Kleid und noch lange nicht das Amt, für das sie eigentlich steht. Uniformen, Stempel und Zeichen, das ist das eine. Das Amt, die Vollmacht und die Wirklichkeit, das ist das andere. Und nicht immer ist beides deckungsgleich.

Wenn man die Uniform, den Talar oder den schwarzen Anzug mit Gipskragen mit dem Amt verwechselt, und den Stempel schon für die Vollmacht hält, dann kann es einem schon einmal passieren, dass man ganz kräftig übers Ohr gehauen wird. Denn wer nur auf die Verpackung schaut und bei den Äußerlichkeiten stehen bleibt, der steht ganz arg in der Gefahr, dass er dem eigentlich Wichtigen gar nicht erst begegnet.

Ich denke, dass Jesus im heutigen Evangelium genau vor dieser Gefahr ganz eindringlich warnt. In diesem Abschnitt aus dem Markusevangelium geht es zwar nicht um Stempel oder Uniformen – im Grunde aber geht es um gar nicht so viel anderes:

Da waren Menschen, denen die Äußerlichkeiten plötzlich wichtiger geworden waren, als das, was eigentlich dahinter stand. Vor lauter Reinigungsvorschriften drohten sie zu vergessen, dass diese äußerlichen Waschungen nichts anderes waren, als ein Zeichen dafür, dass wir uns innerlich in unserem Herzen wieder neu auf Gott ausrichten sollen. Als aber die Menschen dies vergaßen, da waren jene Riten, die sie doch für so wichtig hielten, plötzlich ihres Sinnes entleert. Und das Wesentliche das eigentlich Wichtige das war auf der Strecke geblieben.

Das Zeichen war plötzlich wie die Uniform geworden, die der Hauptmann von Köpenick trug, oder wie einer der Stempel auf dem Blatt meines Bekannten: im Grunde genommen leer und nichtssagend nämlich. Und jeder, der in ihm noch eine Bedeutung sah, wurde lediglich geblendet vom schönen Schein, wurde getäuscht von nichts als Äußerlichkeiten.

Bleibt nicht bei solchen Äußerlichkeiten stehen, lasst Euch nicht vom Schein blenden, verliert das Wesentliche nicht aus dem Blick – das sagt Jesus daraufhin im heutigen Evangelium! Und er sagt es im Grunde immer wieder. Immer wieder entlarvte Jesus Situationen, in denen Riten und Formen, plötzlich wichtiger geworden waren, als die Inhalte, für die sie standen, in denen Äußerlichkeiten für die Menschen bedeutsamer geworden sind, als das Anliegen Gottes, das eigentlich dahinter stand. Dass man das eigentlich Wichtige, das Anliegen, den Inhalt nicht mit der äußeren Form verwechseln darf, das war ihm stets ein ganz großes Anliegen. Und das ist es ihm auch heute noch!

Denn es geschieht heute ja noch genauso wie vor 2000 Jahren, dass Menschen an den Formen kleben, an den äußeren Zeichen, an liebgewordenen Bräuchen und lange einstudierten Riten. Denken Sie an Knien und stehen oder sitzen im Gottesdienst, oder die langen Diskussionen über Handkommunion. Einer unserer Kinder sagte mal nach einem wohl besonders schönen Gottesdienst: wir haben es gemacht wie im Ballett, immer alle zusammen. Ich weiß nicht ob Gott sich über Ballett freut, oder ob ihm das Herz der Menschen nicht wichtiger ist.

Wie viel Streit und welche Auseinandersetzungen entstehen zwischen Eltern und Kindern, weil man darauf beharrt, dass man die Dinge genau so und kein bisschen anders machen müsse, dass es schon immer so gewesen sei und gar anders nicht ginge. Wie viele Auseinandersetzungen zwischen Eltern und ihren Kindern handeln genau davon, dass Kinder die Formen ihrer Eltern nicht mehr mittragen wollen, sie als alte Zöpfe bezeichnen und eigene Wege gehen möchten.

Und wie oft vergisst man dabei dass sowohl die Eltern als auch die Kinder sich im Grunde völlig einig sind, dass es beiden im Grunde um genau das Gleiche geht. Man streitet lediglich um Formen, um Riten und Äußerlichkeiten – so sehr, dass man sich am Ende dann sogar entzweit. Obwohl man lediglich bei Bräuchen und bei Äußerlichkeiten hängen geblieben ist, haben sich auf diese Art und Weise viele Eltern mit ihren Kindern schon auf lange Zeit verkracht. Schade – wirklich schade.

In unserer Kirche ist das auch so. Die einen halten fest an der Tradition mit Rosenkranz und Wallfahrt, die anderen wollen Eventgottesdienst und neue Lieder und andere Wege Gott nahe zu sein. Beides kann der Weg sein, alles kann zu Gott führen, überall ist er uns nahe. Lassen wir doch jedem seine Beziehung zu Gott leben, und zwingen wir sie nicht in unser Kostüm unserer religiösen Vorstellungen.

Nicht das Einhalten der Reinigungsvorschriften war für Jesus wichtig, nicht das äußerliche Waschen, die wirkliche Reinigung, das, was hinter dem Zeichen steckt, der eigentliche Sinn, der war ihm wichtig. Verlieren wir ihn, diesen Sinn nie aus dem Blick. Sonst entpuppt sich am Ende so manche – auch religiöse – Auseinandersetzung lediglich als Streit um Nichtigkeiten.

Mein Bekannter hat solche sinnentleerte Zeichen mit Bauernschläue eingesetzt – und das macht das Ganze amüsant und witzig.

Wenn man aber solchen Äußerlichkeiten aufsitzt ohne es zu merken, unnötig und unbedacht nicht ‚mal darum weiß, und sich dann auch noch darüber streitet, dann ist das Ganze nur noch tragisch.

Amen.

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