So. nach Allerheiligen und Allerseelen 2005

Sonntag nach Allerheiligen und Allerseelen 2005

Die Feiertage dieser Woche und dieses Monats lassen mir noch keine Ruhe. Allerheiligen und Allerseelen, Volkstrauertag, Toten- oder Ewigkeitssonntag. Ich kenne im Moment zu viele, die so schwer krank sind, dass sie bald zu Heiligen werden, zumindest werde ich an den nächsten Allerseelen traurig an sie denken. Liebe Leute, wertvolle Menschen, vermisst von Kindern, Freunden und Nachbarn, viele werden an sie denken, glaube ich.

Fahren Sie doch mal wieder nach Paderborn. Wir brauchen nur einen unserer Dome zu besuchen. Wenn Sie dort die Seitenschiffe entlanggehen oder um den Chor herum, dann fallen eine Fülle von Kapellen auf. Meist sind sie ganz prächtig ausgestattet, mit großartigen Altären und bedeutenden Kunstwerken. Stiftungen sind es in aller Regel; Stiftungen von vornehmen und reichen Leuten, die sich hier – nein, nicht etwa ein Denkmal setzen wollten, die sich vielmehr eine Stätte geschaffen haben, an der man an sie denkt.

Diese Kapellen waren ja in aller Regel mit bedeutenden Mess-Stiftungen versehen. Meist wurde auch ein eigener Priester bezahlt, der da manchmal sogar täglich eine Messe für den Verstorbenen zu feiern hatte – und das über Jahre hinweg.

Wir haben es hier mit Zeugnissen einer ungeheuren Sorge für das eigene Seelenheil zu tun – und das weit über den eigenen Tod hinaus.

Dem Zufall wollte man das nicht überlassen. Darauf zu vertrauen, dass da schon jemand an einen denken würde und vor allem für einen beten würde, wenn man dann von der Bühne dieser Welt abgetreten ist, das war viel zu unsicher. Darauf wollte man nicht bauen.

Nicht auszudenken, wenn am Ende niemand für einen beten würde wenn man tot ist, wenn keiner an einen denkt.

Liebe Schwestern und Brüder,

ja was ist, wenn nach dem Tod keiner an einen denkt?

Diese Angst treibt ja auch heute viele Menschen um. Immer mehr stehen im Alter ja ganz alleine da. Ein schönes Leben gehabt aber keine Kinder, warum auch immer. Die Zahl derer, um die sich zum Ende der Lebzeit kaum einer kümmert, wird immer größer. Und wer soll dann nach dem Tod an mich denken – geschweige denn für mich beten?

So mancher und manche machen sich da ja schon ihre Gedanken. Wenn man keine Angehörigen hat, die dann alles auch wirklich für einen regeln… Wenn die Kinder möglicherweise sagen: „Ach das mit den Messen, das brauchen wir nicht!“

Da wird bei dem einem alles genau bis ins i-Tüpfelchen vorbereitet und gestaltet, und alle paar Wochen eine Messe gefeiert, oft auch bestellt von den Nachbarn. Und bei mir dann möglicherweise gar nichts? Kein Gebet, keiner Allerheiligen an meinem Grab, keine Messe an meinem Todestag, alles Wichtige versäumt und vergessen?

Was ist dann mit mir? Was wird aus mir? Gibt’s also auch beim Start in die Ewigkeit keine Chancengleichheit? Die, die Glück haben, für die wird gebetet, und die, an die niemand mehr denkt, die schauen in die Röhre?

Wäre ja schlimm, wenn es so wäre.

Aber Gott sei Dank ist das eine Angst, die völlig unbegründet ist. Als ob es Gott darauf ankäme, was Menschen nach meinem Tod für mich tun.

Gott schaut auf mein Leben und auf meinen Glauben und auf mich. Ich bin ihm wichtig. Er hat mich ins Dasein gerufen, er kennt mich schon seit vor der Geburt, er hält mein Leben in der Hand und er trägt mich auch durch den Tod hindurch in ein neues Leben. Und er tut dies, weil er mich liebt.

Ich habe mir mein neues Leben nicht erst verdienen müssen, ich kann mir den Himmel nicht kaufen und ich brauche keine Seelenämter und Jahrestagsstiftungen, um am Ende gut vor ihm dazustehen.

Manche von den Großen der Vergangenheit werden am Ende recht schmerzhaft einsehen haben müssen, dass sie sich jämmerlich verrechnet haben. Wer im Leben ein Schweinehund war, der macht seine Taten auch durch noch so große Kapellenbauten und noch so viele Messstipendien nicht besser.

Gott schaut auf den Menschen – nicht auf die Zahl der Messen, die für ihn gefeiert werden.

Es wundert mich immer wieder, wenn Menschen sich vorstellen, als würde Gott so etwas wichtig sein. Als würde er all dies für die Verstorbenen sogar brauchen.

Gott braucht das nicht – wirklich nicht. Das was wir miteinander tun, all unser gemeinsames Beten, all unser Erinnern, all unser Feiern, alle Sakramente, sie sind Geschenke für uns – Gottesdienst: Gottes Dienst an uns Menschen. Denn wir Menschen brauchen das.

Die Pflege der Gräber, die Feier der Messe, das gemeinsame Denken an die Verstorbenen – in erster Linie geht es da doch um uns: und zwar um die, die zurückgeblieben sind, um die Angehörigen, mit denen wir uns verbunden wissen, um die Trauernden, die wir in unserer Gemeinschaft tragen wollen, denen wir zeigen möchten, dass niemand von uns alleine dasteht.

Zu spüren, dass da Menschen mit mir beten und singen, vor allem da, wo mir die Worte versagen, wo mir nichts mehr einfällt. Von Gott und der Gemeinschaft Trost zu erfahren, das ist das tiefste Geheimnis einer Messe im Umfeld einer Beerdigung.

Und das ist ja auch der Sinn dieser Feiertage: All denen, die einen lieben Menschen verloren haben, allen, die trauern sei die Frohe Botschaft mitgegeben, dass Gott keines seiner Kinder fallen lässt. Uns hält er an seiner Hand, uns führt er in Freud und Leid durch dieses Leben und unsere Verstorbenen fängt er auf. Sie sind in seiner Hand geborgen.

Diese wahrlich frohe Botschaft schenkt uns Gott. In diesen Wochen feiern wir sie. Wir feiern unseren Glauben, uns und untereinander geschenkt zum Trost.

Amen.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .