Frühschicht Advent 2012 „Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen“
A: Begrüßung
(freihändig) Jahr zu Ende – Lebensring abgeschlossen – Neuer Ring entsteht – Narben und Risse – Aber stabil – Gezeichnet vom Leben mit allen Höhen und Tiefen
Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen,
die sich über die Dinge ziehn.
Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen,
aber versuchen will ich ihn.
U: „Was pflanzt du diesen Baum?“ wird der alte Mann gefragt, der mit viel Mühe ein Loch gegraben hat, den Baum gepflanzt und angeschlemmt hat, der die Erde mit letzter Kraft festgestampft hat und nun noch einen letzten Eimer Wasser holt, um den Baum anzugießen. Man sieht ihm an, dass ihm die Arbeit nicht leicht gefallen ist. Aber nun steht der Baum da, zierlich noch. Was pflanzt du diesen Baum? Wann wird er erste Früchte tragen? In fünf Jahren, in zehn Jahren? Du wirst seine Früchte nicht ernten! Der alte Mann ist still und atmet tief, er braucht Zeit, seine Worte zu finden, die Arbeit hat ihm mehr Kraft genommen als in früheren Jahren. Und dann antwortet er: Keinen Baum, in den ich als Kind geklettert bin, keinen Baum, unter dem ich als Liebender gelegen habe, keinen Baum, in den wir unsere Namen geritzt, keinen Baum, dessen Früchte ich reichlich in meinem Leben geerntet habe, habe ich selber angepflanzt. Ich hatte mein Leben, es war nicht immer leicht, es war auch nicht immer gut, aber es war reich – nicht durch mich, sondern durch den, dem mein Leben gehört.
(Verfasser unbekannt)
A: Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen, aber versuchen will ich ihn.
Düster scheinen die Aussichten Rilkes: Wird das der letzte Ring sein, der sich für mich öffnet? Keiner von uns weiß es. Wir hoffen und beten dass, sich noch viele Ringe anschließen, aber es gehört zu unserer menschlichen Begrenztheit, dass wir nicht wissen, welches Maß uns gesetzt ist. Für Rilke ist das nichts, was ihm Angst macht. Er stirbt selbst am 29.12.1926 an Leukämie mit gerade 51 Jahren. „Aber versuchen will ich ihn“ – vielleicht ist es auch entlastend, dass wir den allerletzten Kreis nicht selbst vollbringen müssen.
Paulus kann das in seinem zweiten Brief an Timotheus mit Blick auf sein Lebensende sehr zuversichtlich schreiben: „Die Zeit meines Aufbruchs ist nahe. Ich habe den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, die Treue gehalten. Schon jetzt liegt für mich der Kranz der Gerechtigkeit bereit, den mit der Herr, der gerechte Richter, an jenem Tag geben wird.“ (2Tim 6b-8a)
Ein anderer wird den letzten Ring vollenden, den Kranz der Gerechtigkeit geben. Auch dieses neue Kirchenjahr bleibt ein Versuch, der nicht unter dem Zwang steht, unserem Leben den letzten Sinn und seine letzte Perfektion zu geben.
Wir sind nicht gescheitert, wenn wir am Ende spüren, vieles ist mir gelungen und noch mehr habe ich versäumt. Jesus macht seinen Jüngern Mut: „Sorgt euch nicht um euer Leben… Euer Vater weiß, was ihr braucht.“ Den letzten Ring unseres Lebens, ob es 2012 oder erst in vielen Jahren sein wird, den dürfen wir getrost aus den Händen geben und sagen: „Gott du machst es gut.“ In diesem Sinn gehen wir auch gelassen in dieses Jahr, das uns so bald wieder in den Fingern zu zerrinnen scheint, von dem wir am Ende fragen werden, wo ist die Zeit hingekommen.
U:
Wenn Dein Herz wandert oder leidet, bring es behutsam an seinen Platz zurück
und versetze es sanft in die Gegenwart Deines Herrn.
Und selbst, wenn Du nichts getan hast in Deinem ganzen Leben außer Dein Herz zurückzubringen
und wieder in die Gegenwart unseres Gottes zu versetzen, obwohl es jedes Mal wieder fortlief,
nachdem Du es zurückgeholt hattest, dann hast Du Dein Leben wohl erfüllt.
Hl. Franz von Sales (1567-1622)
Lied: Der mich atmen läßt, ……. 1 – 4
A: Körperübung „Wachsen wie ein Baum“
Stell dir vor, du bist ein ganz junger Baum. Noch klein, mit einem zarten Stamm.
Mach dich so klein wie möglich am Boden.
Dein Stamm ist noch klein, deine Zweige und Äste sind noch ganz kurz.
Aber deine Wurzeln sind fest in der Erde verankert.
Sie halten dich fest und versorgen dich mit allem, was du brauchst.
Die Sonne scheint auf dich und wärmt dich, der Regen und Tau fällt auf dich, die Erde gibt dir Nahrung.
Und du spürst, wie sich das Leben in dir regt.
Du hast Lust, zu wachsen und größer zu werden.
Und du stellst dir vor, wie du wächst und langsam größer und stärker wirst.
Und du beginnst, langsam und ruhig aufzustehen.
Du bekommst einen richtigen Stamm, und deine Arme werden kräftige Äste …
Du kannst dich ganz leicht und sanft bewegen, wie ein großer Baum im Wind.
Du kannst es genießen, wo ein großer, starker und fest verwurzelter Baum zu sein, der seine Äste der Sonne entgegenstreckt.
Wie ein Baum, gepflanzt am Wasser stehst du jetzt da.
Umarmt von Gottes Liebe bist du jetzt.
Und Gott hält dich und will, dass du lebst und wächst.
Er ruft dich zum Leben.
Und wenn du dieses Gefühl lang genug genossen hast, komm langsam in diesen Raum zurück, werde wieder Mensch.
Vielleicht bewegst du dich und streckst dich und öffnest langsam die
Augen.
Gemeinsam stehen wir hier vor Gott, wie Bäume, die er pflanzt und zum Wachsen und Werden beruft.
Gemeinsam können wir unsere Hände öffnen, wie ausgebreitete Äste und beten, beten, wie Jesus es uns gelehrt hat.
Vater unser …
U:
Der Abt eines Klosters wurde von Besuchern gefragt:
„Wie ist es möglich, dass alle Mönche trotz ihrer verschiedenen Herkunft, Veranlagung und Bildung eine Einheit darstellen?“
Statt einer theoretischen Erklärung antwortete der Abt mit einem Bild: „Stellt euch ein Rad vor. Da sind Felge, Speiche und Nabe.
Die Felge ist die umfassende Mauer, die aber nur äußerlich alles zusammenhält.
Von diesem Rand des Rades aber laufen die Speichen in der Mitte zusammen und werden von der Nabe gehalten. Die Speichen sind wir selbst, die einzelnen unserer Gemeinschaft. Die Nabe ist Jesus Christus.
Aus dieser Mitte leben wir. Sie hält alles zusammen.“
Erstaunt schauten die Besucher auf. Sie hatten etwas Wichtiges verstanden.
Doch der Abt sagte weiter:
„Je mehr sich die Speichen der Mitte nähern, umso näher kommen sie auch selbst zusammen. Ins konkrete Leben übertragen heißt das:
Wenn wir uns Christus, der Mitte unserer menschlichen und geistlichen Gemeinschaft, wirklich ganz nähern, kommen wir auch einander näher. Nur so können wir miteinander und füreinander und damit auch für andere leben.“
A:
Herr, wie ein Baum, sei vor dir mein Leben.
Herr, wie ein Baum sei vor dir mein Gebet.
Gib Wurzeln mir, die in die Erde reichen, dass tief ich gründe in den alten Zeiten, verwurzelt in dem Glauben meiner Väter.
Gib mir die Kraft, zum festen Stamm zu wachsen,
dass aufrecht ich an meinem Platz stehe und nicht wanke,
auch wenn die Stürme toben.
Gib Zukunft mir und lass die Blätter grünen und nach den Wintern Hoffnung neu erblühen.
Und wenn es Zeit ist, lass mich Früchte tragen.
Herr, wie ein Baum sei vor dir mein Leben.
Herr, wie ein Baum sei vor dir mein Gebet.
Amen
Segen
U:
Ich wünsche Dir, dass Du wirst wie ein Baum, der sich tief gründen und Wurzeln schlagen kann,
der aus dem Mutterboden seine Lebenskraft empfängt.
Ich wünsche Dir, dass Du wirst wie ein Baum, der sich aufrichtet und dem Himmel öffnet,
der in des Geistes Weite Orientierung finden kann.
Ich wünsche Dir, dass Du wirst wie ein Baum, der sich dem Jahreszeitenwechsel seines Lebens
nicht entzieht, der blüht und Frucht bringt und auch nach der Wintereinsamkeit wieder neue
Knospen treibt.
Ich wünsche Dir, dass Du Dir Deinen Lebensraum eroberst in Gottes Schöpfung,
dass alles Lebendige, dem Du begegnest, Dich mit Freude erfüllt,
und dass Du an dem Platz, an dem Du bist, verantwortlich umgehen kannst mit den Menschen,
die Dir anvertraut sind, und mit aller nichtmenschlichen Kreatur.
Ich wünsche dir, dass Du im Sinne Jesu den Menschen in Liebe begegnest und
durch Dein Tun Spuren des Reiches Gottes sichtbar werden in dieser Welt.
Ich wünsche Dir, dass Dich das Feuer des Heiligen Geistes täglich neu
mit Mut und Lebenslust, mit Kraft und Phantasie entzündet,
dass Du aus einer unerschöpflichen Lebendigkeit
Deine Berufung entdecken und Deine Träume verwirklichen kannst, um ganz du selbst zu sein,
und dass sich Dein Leben darin sinnstiftend erfüllt.
Dazu segne Dich und alle die zu Dir gehören, der
Liebende und treue Gott, der unsere Mitte sein will
Mit dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist. Amen
Lied: Der mich atmen läßt, ……. 5 – 8