Frühschicht Advent 2009 „Wir müssen ihn einlassen“
Herzlich willkommen zur ersten Adventsfrühschicht. Wir beginnen in Gottes Namen. Im Namen des Vaters und des Sohnes …….
Wann wird denn nun wirklich Weihnachten?
Wenn
– die Wohnung geputzt ist?
– die Geschenke gekauft sind?
– die Plätzchen gebacken sind?
– das Weihnachtsgeld auf dem Konto ist?
Oder
– Wenn ein Mensch zum andern sagt: Lass es uns noch mal miteinander
versuchen
– Wenn einer merkt: Ich bin nicht mehr allein.
– Wenn Menschen anfangen, miteinander zu reden.
– Wenn Menschen einander ernst nehmen.
– Wenn wir uns wieder Zeit nehmen füreinander.
– Wenn Menschen wieder Hoffnung schöpfen und Freude am Leben
gewinnen.
– Wenn wir merken: Gott klopft auch bei uns an.
Ein kleiner Junge hörte so oft die Erwachsenen vom Herrgott reden. Bei allen möglichen Gelegenheiten redeten sie von ihm, aber der kleine Junge konnte sich nicht erinnern, dass der Herr Gott schon einmal aufgetaucht wäre.
Eines Tages sagte er bei seinen Eltern zuhause: „Also, ich möchte jetzt endlich auch mal den Herr Gott sehen!“ Und wo sollte das möglich sein? Natürlich, in der Kirche! Die ist doch schließlich das Haus vom Herrgott, wie der Junge schon oft gehört hatte. Als er von seinem Besuch in der Kirche wieder zurückkam, fragte ihn die Mutter: „Na, hast du den Herrgott gesehen?“
„Nein“, antwortete der kleine Junge enttäuscht, „der Herr Gott war nicht daheim. Nur seine Frau. Und die musste putzen.“ Ein goldiges Ansinnen, das der kleine Junge da hatte! Wir Erwachsenen hätten ihm natürlich gleich sagen können, dass er den „Herr Gott“ in der
Kirche nicht zu sehen bekommt, denn der ist ja unsichtbar. Und wir sind aufgeklärt genug um zu wissen, dass Gott nicht in einer Kirche wohnt.
Ja, so vernünftig sind wir doch.
Aber dann fallen mir die vielen, vielen Menschen ein, die an Weihnachten, vielmehr an Heiligabend zur Kirche in den Gottesdienst kommen. Geht es ihnen nicht ein bisschen wie dem kleinen Jungen, dass sie zumindest an diesem besonderen, bewegenden Abend des
Jahres einmal mit Gott zu tun haben möchten? Und werden sie ihm begegnen an diesem Abend, in unseren Kirchen? Schließlich kommen sie doch alle mit dem vernünftigen Wissen: So richtig wohnen, tut Gott in der Kirche ja nicht.
‚Gott wohnt, wo man ihn einlässt‘, sagt eine jüdische Weisheit. Ich möchte unserem Krippenspiel und unseren feierlichen Gottesdiensten an Heiligabend durchaus viel zutrauen. Ich glaube, dass Gott sich dort erfahrbar macht, dass Menschen, indem sie die alten und neuen Lieder singen, indem sie sich mitten im Gebet mit den anderen wieder finden und indem sie von der Weihnachtsbotschaft hören, von Gott berührt werden. Ich möchte dem aber auch noch einen dringenden Wunsch hinzufügen: Ich wünsche für alle Menschen, die da kommen, dass sie nicht nur Gott an diesem Abend einen Besuch abstatten und sich bei ihm wohl fühlen. Ich
wünsche, dass sie Gott nicht nur in die Welt, sondern bei sich, in sich ankommen lassen. Gott wohnt, wo man ihn einlässt – ich wünsche, dass wir alle auch in diesen Frühschichten derart von Gott bewegt werden, dass wir ihn mitnehmen für das ganze Jahr. Denn Gott will nicht im Kirchengebäude bleiben. Er will unter uns wohnen, in uns, damit wir gestärkt durchs Leben gehen. Und damit wir, je öfter wir eine Kirche besuchen, ihm immer leichter und tiefer begegnen.
Ich wünsche Euch eine gesegnete Advents- und Weihnachtszeit, in der
Ihr Gott immer deutlicher in Euch ankommen und wohnen fühlt.
Lied: Wir sagen Euch an (GL 115,1)
Dem Pfarrer einer Stadt im Süddeutschen fiel ein alter, bescheiden
wirkender Mann auf, der jeden Mittag die Kirche betrat und sie kurz
darauf wieder verließ. Eines Tages fragte er den alten, was er denn in
der Kirche tue. Der antwortete: „Ich gehe hinein, um zu beten.“ Als der
Pfarrer verwundert meinte, er verweile nie lange genug in der Kirche, um
wirklich beten zu können, sagte der Besucher: „Ich kann kein langes
Gebet sprechen, aber ich komme jeden Tag um zwölf und sage: Jesus,
hier ist Johannes.“
Eines Tages musste Johannes ins Krankenhaus. Ärzte und Schwestern
stellten bald fest, dass er auf die anderen Patienten einen heilsamen
Einfluss hatte. Die Nörgler nörgelten weniger, und die traurigen konnten
auch mal lachen. „Johannes“, sagten sie, „du bist immer so gelassen
und heiter.“ „Ach“, winkte Johannes ab, „dafür kann ich nichts. Das
kommt durch meinen Besucher.“ Doch niemand hatte bei ihm je Besuch
gesehen. Er hatte keine Verwandten und auch keine engeren Freunde.
„Dein Besucher“, fragte eine Schwester, „wann kommt der denn?“
„Jeden Mittag um zwölf. Er tritt ein, steht am Fußende meines Bettes und
sagt: Johannes, hier ist Jesus.“
Lied: Macht hoch die Tür (GL 107,1)
Herr,
Du bist als Außenseiter in diese Welt gekommen.
Lass mich der Türöffner sein für diejenigen, die draußen stehen.
Du hast die Unberührbaren berührt und die Aussätzigen geheilt.
Lass mich die Hand sein, die diejenigen stützt, die wanken,
und die den Menschen Wärme gibt, die in der Kälte sind.
Du hast zu denen gesprochen, die ohne Hoffnung waren.
Lass mich der Mund sein, der Deine Worte weitersagt,
und das Ohr,
das Zeit und Geduld zum Zuhören hat.
Du bist für alle Menschen den Weg des Kreuzes gegangen.
Lass mich der Weggefährte sein, der denjenigen hilft,
denen das Kreuz zu schwer wird.
Du hast eine Gemeinschaft gegründet,
in der alle wie Schwestern und Brüder zusammenleben sollen.
Lass mich die Schwester oder der Bruder sein,
und lass mich hier und jetzt damit beginnen.
Amen.
Gemeinsames Vater Unser
Und so segne uns, unsere Familien und die ganze Gemeinde
Der treue und liebende Gott,
der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. Amen
Lied: Kündet allen in der Not (GL 106, 1+2)