Unser Yonatan

»Er gehört jetzt zu unserer Familie«, ist das Verler Ehepaar Ursula und
Arthur Springfeld froh, dass der aus Eritrea geflohene Yonatan Kifle in
Deutschland bleiben darf. Hier will der 24-Jährige seinen Hauptschul-
Abschluss nachmachen. Einen Job hat er schon. Foto: Uwe Caspar

Happy End nach dramatischer Odyssee

Der aus Eritrea geflohene Yonatan Kifle darf in Deutschland bleiben

Von Uwe C a s p a r

Ve r l (WB). Yonatan Kifle sitzt im gemütlichen Wohnzimmer von Arthur Springfeld
und lässt sich den Kuchen schmecken. »Wir sind stolz auf ihn. Er gehört quasi zur Familie
und ist eine große Bereicherung für uns«, sagt der Hausherr und Diakon der Katholischen
Kirche in Sürenheide.

Hinter seinem aus Eritrea stammenden »Adoptivsohn« liegt eine dramatische Odyssee, bei der Yonatan bisweilen sogar um sein Leben fürchten musste. Jetzt ist er in Sicherheit und muss auch nicht mehr Angst haben, wieder abgeschoben zu werden. »Er hat eine Aufenthalts-Gestattung bekommen, die später in eine dauerhafte Duldung umgewandelt werden soll. Dann kann er für immer in Deutschland bleiben«, erzählt Springfeld erleichtert.

Yonatan Kifles Odyssee beginnt 2008, als er während seiner Militär-Grundausbildung beschließt, aus seiner Heimat zu fliehen. Nahezu alle jungen Männer in Eritrea werden nach abgeschlossener Grundschule zur Armee eingezogen – die meisten von ihnen müssen ihr ganzes Leben lang Soldat bleiben. Für den heute 24-Jährigen ist das aber keine Perspektive, also türmt er eines Tages zusammen mit einem Freund mitten in der Nacht. Sie nehmen dabei das Risiko auf sich, erschossen zu werden. Auf jeden Fall wären sie für viele Jahre im Knast gelandet, hätten die Grenzposten sie erwischt.

Nach einem mehrtägigen Fußmarsch ohne Verpflegung erreichen die beiden schließlich Sudan. Yonatan bleibt dort erst einmal, wird von seiner in den USA lebenden Tante mit 150 Dollar im Monat unterstützt. Doch er will weiter nach Europa und steuert nun Libyen an. Keine Flucht ist kostenlos: Kifle leiht sich 700 Dollar, damit er die Schlepper bezahlen kann. Zusammengepfercht mit rund 40 Leuten in einem Landrover geht es tagelang durch die Wüste – das überladene Auto kippt einmal um. Wagenwechsel in Libyen: Ein Lkw mit Anhänger übernimmt Yonatan und 200 weitere Flüchtlinge, sie werden auf der Fahrt nach Tripolis unter Paletten versteckt. »Wir konnten uns kaum bewegen, vor allem die Frauen hatten große Schmerzen. Es gab auch keine Pinkelpausen, wir mussten in Plastikflaschen urinieren«, sagt er.

Nicht so gefährlich sei dann die dreitägige Kutter-Überfahrt nach Sizilien gewesen, auch wenn es kaum etwas zu essen gibt. Endlich angekommen, müssen dort Yonatan und einige andere jugendliche Flüchtlinge eine weitere bittere Erfahrung machen: Sie werden andauernd von pädophilen Männern belästigt. »Überhaupt war Italien schrecklich für uns«, sagt er mit einem tiefer Seufzer. Schließlich jedoch hat es Kifle geschafft: Er ist in Deutschland, gelangt über Dortmund nach Verl.

Hier lernt er Arthur Springfeld kennen. Der Diakon, die Caritas und ein Pfarrer finanzieren dem Lernwilligen die Deutschkurse an der Volkshochschule. Doch noch gibt es kein Happy End: Yonatan wird ausgewiesen, weil die deutschen Behörden zunächst der Meinung sind, dass Italien für ihn zuständig sei. Springfeld setzt alle Hebel in Bewegung, damit Yonatan wieder zurückkommen kann, schaltet auch den Bundestagsabgeordneten Ralph Brinkhaus (CDU) ein. Es klappt: Seit zwei Monaten ist Kifle wieder in Verl, hat hier eine eigene Wohnung und in Gütersloh einen Job gefunden.

»Unglaublich, wie viele Leute ehrenamtlich bereit sind, den bei uns gestrandeten Flüchtlingen zu helfen«, freut sich Springfeld über die Hilfsbereitschaft. Er fügt aber noch an: »Ganz Afrika kann ich natürlich nicht retten.«

Nachtrag im Mai 2107

Yonathan hat zwischenzeitlich in Zusammenarbeit mit Kolping Gütersloh eine Ausbildung zum Altenpflegehelfer gemacht, hat seit einem Jahr eine Festanstellung und unterstützt durch seine guten Sprachkenntnisse die Kommunikation mit anderen ehemaligen Flüchtlingen aus Eritrea.

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