20. So.Jk. A – Mathäus 15 20-28 „Kanaanäische Frau“

Predigt 20. Sonntag i.Jk. A – Mathäus 15 20-28 „Kanaanäische Frau“

Man kann sich den Text für die Predigt oft nicht aussuchen. Ich hätte gerne einen Bogen um diese Geschichte gemacht. Der Jesus, von dem wir hier hören, gefällt mir nicht. Früher habe ich meiner Frau oft lange Briefe geschrieben, weil man manches so leichter sagen kann. Darum habe ich der Frau aus der Bibel auch einen Brief geschrieben.

Liebe kanaanäische Frau!
Ich soll über Ihre Begegnung mit Jesus von Nazareth predigen. Man sollte alte Geschichten nicht immer wieder aufzurühren. Aber auch nach fast 2000 Jahren ist diese Erzählung für mich peinlich, treffender gesagt, ich bin entsetzt. Wahrscheinlich hatten Sie aus Galiläa erfahren, dass ein gewisser Jesus aus Nazareth Menschen in allen Nöten annimmt und ihnen hilft.

Von Krankenheilungen und Dämonenaustreibungen hatten Sie gehört, von seinen tröstenden, liebenden und barmherzigen Worten an die Menschen. Darum wandten Sie sich als Mutter einer schwerkranken Tochter an ihn. Sie hatten größte Sorge um Ihr Kind, das Sie so gern hatten. Es hat sie richtig fertig gemacht.

Darum riefen Sie auch: „Herr, erbarm dich über mich!“

Sogar mit dem Königstitel „Sohn Davids“ sprachen Sie Jesu an und zeigten, dass Sie die Geschichte des Volkes Israel kannten und ihr nahestanden.

Alles, was dann folgte, ist mir absolut unverständlich. Ich weiß ja, wie sich Jesus für Schwache und Benachteiligte eingesetzt hat. Auch ich suche die Nähe Jesu und seine Kraft als Hilfe für mein Leben und meine Sorgen. Dabei weiß ich, dass Gott kein Automat ist, der sofort alle Wünsche erfüllen muss.

Aber was er Ihnen angetan hat, geht über mein Verständnis. Nein, das hätte ich von Jesus nicht erwartet.

Erst sagt er gar nichts – schweigt einfach. Ihr Ruf, Ihre Bitte kommt überhaupt nicht an.

Ich weiß selbst auch, wie weh das tut, wenn Worte ungehört bleiben, wenn jede Antwort auf Anregungen und Bitten ausbleibt.

Es ist wie eine leise, aber umso schmerzhaftere Verachtung. – Aber es wird bei Ihnen ja noch schlimmer.

Jesus spielt sich als Lehrer auf, er spricht zu seinen Jüngern, wohlgemerkt zu den Jüngern, nicht zu Ihnen, vom Ratschluss Gottes.

Er spricht wie ein Richter in letzter Instanz, er redet über seine Aufgaben – unpersönlich, unbarmherzig, lieblos.

Da geht Jesus in das Land der Nichtjuden, um Ihnen zu erklären, dass er nicht für sie da ist. Schlussstrich, Punkt – Gott will es so.

An Ihrer Stelle hätte ich mir das nicht bieten lassen. Nichts regt mich mehr auf als kluges Reden, wenn ein Mensch Liebe nötig hat. Mir, liebe Frau, wäre spätestens hier klar geworden, dass ich an Jesus nicht herankomme, dass er kein Fünkchen Liebe für mich übrig hat.

Aber eigentlich weiß ich nicht, was ich darauf hin getan hätte; so tiefe Verzweiflung ist mir bisher erspart geblieben.

Darum bleibt mir für das was jetzt kommt nur Sprachlosigkeit: Sie fallen Jesus erst recht zu Füßen; Jesus aber vergleicht sie mit einem Hund, dem man nichts Gutes vorwirft. Als leidende und tief traurige Mutter werden Sie offen verspottet. Dazu kann ich nichts mehr sagen. Mir fällt nichts ein.

Aber Sie, Sie gehen auf dieses Spiel ein, lassen sich förmlich von Jesus in den Boden treten. Sie nehmen den Vergleich mit einem Hund an, damit Jesus Sie schließlich doch erhört. Dieses alles geht mir zu weit. Mir tut es aufrichtig leid, gerade auch deswegen, weil ich eigentlich diesen Jesus toll finde und zu ihm gehören will. –

Liebe Frau, ich kann mich zwar nicht für einen anderen entschuldigen, aber Ihnen trotzdem mein Mitfühlen zusichern. Freundlicher Gruß Arthur Springfeld, Verl


Sie werden es nicht glauben liebe Gemeinde, nach 14 Tagen bekam ich Antwort aus Kanaa!

 

 

Sehr geehrter Herr Springfeld!
Ihren lieben Brief habe ich erhalten. Ich verstehe Ihren guten Willen, und danke Ihnen dafür. Sie wollten mir Ihr Mitgefühl zeigen, aber Ihr Brief zeigt gerade das nicht.

Wenn sie mit mir fühlen würden, könnten sie nicht von Peinlichkeit und Entsetzen schreiben. Wissen Sie, was ich fühle? Ich bin glücklich, unbeschreiblich glücklich über das, was mir geschehen ist.

Sie haben sich ein Bild von Jesus gemacht; so muß er sein und nicht anders.

Bei mir war er aber ganz anders; trotzdem ist die Begegnung mit ihm ein Wendepunkt in meinem Leben geworden. Die Krankheit meiner Tochter machte mir Angst und lag wie eine dunkle, schwere Wolke über meinem Leben. Ich litt mit ihr und konnte ihr nicht helfen. Alle medizinische Hilfe versagte. Ich wusste, auch hier ist Gott im Spiel, aber ich habe ihn nicht verstanden. Ich wusste nicht, warum mir dieses schwere Leid gegeben war. Aber nur Weniges im Leben ist so klar, dass man es eben schnell einfach erklären kann.

Als ich dann von diesem Jesus aus Galiläa hörte, kam Hoffnung auf ein gutes Ende auf.

Ich fühlte, dass er mich nicht enttäuschen würde. Dann wurde erzählt, dass er sogar ins nichtjüdische Land gekommen war. Da hatte ich auf einmal den Gedanken: Er kommt nur meinetwegen.

Ich brach auf, ihn zu suchen. Das war nicht schwer. Ich brauchte mich nur zu erkundigen. Die Menschen erzählten gern von ihm.

Als ich Ihn dann sah, sprudelte alle Not und meine ganze Hoffnung aus mir heraus. Ich war sicher, dass nach den dunklen Wolken jetzt Licht kommt.

Hinter allem Unfassbaren, Unbegreiflichen verbirgt sich der Gott, der uns liebt. Und der stand vor mir.

Das Bitten und Rufen fiel mir überhaupt nicht schwer. Jesu Schweigen sagte mir: Er weist mich nicht ab. Es war keine Verachtung, sondern ein Eintauchen in meine Dunkelheiten. Wir beide gingen im Dunkeln aufeinander zu, und auch Jesus musste erst den Weg zu mir suchen.

Die Jünger haben das nicht verstanden. Sie wollten mich wegschicken. Sie stellten sich zwischen mich und Jesus. Klar, Jesu Antwort war dann wirklich sehr mißverständlich. Aber sie beschrieb eigentlich genau meine Gottesferne. Auch hier schien Jesus seinen Weg zu suchen. Ich hörte keinen Richterspruch, sondern sein lautes Nachdenken.

Warum sollte Jesus über die Grenze zu den Nichtjuden gehen, wenn er sie dann wieder aufrichten will?

Ich war nicht verzweifelt, sondern mir auf einmal noch sicherer: Hier und heute beginnt etwas ganz Neues.

So wollte ich Jesus ganz nah sein. Mit meinem Niederfallen breitete ich mein ganzes Leben, mein Unglück und meine Sorgen vor ihm aus. Dass er mich dann Hündchen nannte, war für mich nichts Schlimmes. Gott liebt doch auch die Tiere. Und mein Leben war eben keins am feinen Tisch, sondern eher ein Hundeleben.

Ich war mir absolut sicher, dass Jesus niemand Liebe wegnehmen muss, wenn er mir davon nur ein wenig abgibt. Und das sagte ich ihm auch.

Damit war das Unfassbare, Unbegreifliche geschehen. Ab diesem Augenblick war alle Last, war alle Dunkelheit und Angst von mir genommen. Meine Tochter wurde gesund.

Jesus sagte nichts mehr, nur, dass er meinen Glauben bewunderte. Aber ich habe diesen Glauben nicht selbst hervorgebracht, das hat Gott getan.

Ich konnte erleben, dass Vertrauen alles ändern kann. Nicht die Leiden und Widerstände sind entscheidend, sondern das, was Gott für uns bereit hält.

Oft sehen wir es nicht.

Aber der Glaube gibt die Gewissheit: Hinter aller Dunkelheit wartet ein Gott voller Liebe um und für uns. Kein Leiden ist schön. Aber es ruft uns auf, es schreit uns an, uns ganz und allein auf diesen Gott zu verlassen.

Diese Begegnung hat mich, sie werden das nun verstehen, ganz tief glücklich gemacht.

Es musste alles so sein. Ich bin dankbar dafür.
Shalom – Friede sei mit Ihnen! – und dann eine unleserliche Unterschrift.

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