5. Fastensonntag C – Joh 8,1-11 – „Ehebrecherin“

Predigt 5. Fastensonntag C – Joh 8,1-11 – „Ehebrecherin“

„Geh“ – „Geh“ sagt Jesus zu dieser Frau. „Geh“ das ist vermutlich das schönste Wort das Jesus dieser Frau überhaupt sagen konnte in dieser Situation.

„Du wirst nicht gesteinigt!“ „Steh auf! Du kannst gehen!“

 

Das muss für die Frau eine richtige Erlösung gewesen sein, als Jesus sagte „Geh!“

Jesus sagte nicht „verschwinde“, er sagte ganz schlicht „Geh!“

Und als Jesus das sagte, da konnte sie sein ganzes Mitgefühl, seine Barmherzigkeit, seine Liebe und auch sein Verständnis mitklingen hören.

Jesus sagte das, wie Jemand der mir wohlgesonnen ist.

 

Wahrscheinlich hatte diese Frau vorher ein „Geh!“ in einem ganz anderen Tonfall gehört, mehr wie „Hau ab!“ „Verschwinde endlich!“

Auch die Menge, die sie jetzt steinigen wollte hatten ihr „Geh!“ zu gerufen, Geh vor die Tore der Stadt. Geh! Du wirst gleich spüren, wie wir mit Ehebrecherinnen umgehen.

„Geh!“, diesmal voller Verachtung, Vorwürfen und Verurteilung.

 

Sie hatten sie erwischt, inflagranti – auf frischer Tat, bei Unmoral und Unzucht. Das darf man nicht, nicht in einer feinen Gesellschaft – das muss bestraft werden.

Nein, das darf und kann man nicht dulden. Hier wird die ehrenwerte Gemeinde beschmutzt, hier wird das Ansehen der Gemeinschaft geschädigt.

„Geh!“ für dich ist kein Platz mehr hier. Wir zeigen Dir, was man mit Deinesgleichen macht!

 

So sagen diese Leute „Geh!“, nicht weil sie so ehrenwert sind, nicht, weil sie so einen Gerechtigkeitssinn haben, nein – es ist ihnen nur peinlich, dass so etwas bei einem aus ihrer Mitte bekannt wird!

 

Werfen sie doch mal einen Blick nach innen – ja in sie selbst.

Härte und Unbarmherzigkeit anderen gegenüber, sagt ja nicht wirklich was über die eigene Fehlerlosigkeit aus.

Jesus hat sie alle durchschaut, die, die mit den Steinen da rum standen.

Auch den Nachbarn der sie auf frischer Tat überrascht hat, diesen netten frommen älteren Herrn, der insgeheim ein Spanner war und die junge Nachbarin durchs Fenster immer beobachtete.

Jesus hat auch den Priester durchschaut, der dazu gerufen wurde, natürlich entsetzt war, denn auch über ihn flüsterte man, dass er eine Beziehung hatte, von der niemand wissen durfte.

 

Jesus hat auch den Geschäftsmann durchschaut, der schon mit dem Stein dastand.

Er hatte es zu Reichtum und ansehen gebracht, weil sein Einkommen stieg mit jeder Bilanz die er fälschte, mit jedem Arbeiter, den er unter Tarif bezahlte und für den er die Sozialleistungen zurück behielt.

Er hat auch den geachteten netten Familienvater durchschaut, der mit seiner intakten Familie Sonntags spazieren ging und abends seine Frau schlug und der eigenen Tochter viel näher kam, als für das Kind gut war.

 

Jesus kannte sie alle, die politischen und kirchlichen Würdenträger, die auch die Steine in der Hand hielten und hinterher Klinken putzten um in der Hierarchie weiter aufzusteigen.

 

All jene trieben die Frau nicht aus der Stadt heraus weil die Schlechtigkeit der Tat sie anwiderte, nein, sie demonstrierten Härte, weil sie größte Mühe hatten ihre eigenen Unzulänglichkeiten zu verbergen.

Wer seinen Heiligenschein durch schein-heilig sein erlangt hat, der kann es sich nicht leisten barmherzig zu sein.

 

Wie würden wir dieses „Geh“ denn heute formulieren?

Ok, wir würden keine Steine werfen.

Aber sind Worte nicht manchmal schwerer als Steine?

Sind Blicke nicht manchmal tödlicher als Steine?

Verletzten unsere Zeigefinger nicht oft vielmehr als die Steine zu der Zeit Jesu?

Nein, in unseren Landen, auch in Verl wird niemand gesteinigt.

Aber auch wir machen oft anderen deutlich: Hau ab! Geh weg. Verschwinde lieber!

Und selbst, wenn wir es nicht aussprechen, der oder die Betroffene merken deutlich, dass sie sich bei uns lieber nicht mehr sehen lassen sollten.

Wie damals bei Jesus – als ob wir besser wären, nur weil unser Versagen und unsere Schuld nicht öffentlich sind, weil wir uns für so pfiffig halten unsere Unzulänglichkeiten im Verborgenen zu belassen.

Als ob wir besser wären, nur weil wir besser scheinen?!

 

Solange dieses Denken herrscht und angesagt ist,

solange ich in Kirche und Gesellschaft nur bestehen, nur überleben kann, wenn ich meine Fehler verbergen kann,

solange jeder von uns in Kirche, Politik und Gesellschaft nicht zu Schuld und Fehlern steht, sondern sie klassisch unter den Teppich fegt,

solange dies so ist dürfen wir uns nicht wundern, dass all die Menschen die Jesus damals gerufen hat – nämlich hauptsächlich die,

die schon mal im Leben gescheiter sind,

die die in unserer Kirche und Gemeinschaft keine Aufnahme und Heimat finden,

sich so wenig von uns angenommen fühlen.

 

Ich würde mir wünschen, dass wir dieses „Geh!“ von Jesus aussprechen wie „Komm!“ „Komm zu uns und mit uns!“ „Bleibe bei uns!“

Das würde ich auch gerne den Wiederverheirateten zurufen,

den Alleinerziehenden, die ihre Arbeit verloren haben,

den Leiharbeitern,

den Ausländern und Asylbewerbern

und all den Frauen und Männern, die schon mal im Leben gestrauchelt und gescheitert sind.

„Kommt her zu uns!“ „Sei bei uns geborgen!“ „Fühl dich bei uns wohl!“ „Friede mit Dir!“

Wir, auch in Verl nicht – sind nicht die Gerechten der letzten Tage.

Auch wir sind eine Gemeinde und Gemeinschaft von Menschen mit all ihren Fehlern.

 

Laßt uns immer wieder dem Nächsten sagen: „Komm“ bleib bei uns.

Fühle Dich von uns angenommen und getragen, denn keiner von uns, und darauf kannst Du Gift nehmen, nicht ein Einziger ist im Letzten besser als du!

 

Amen

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