29.08.12 – Peace is the way-

Friedensgebet Kaunitz St. Marien 29. August 2012

Lied: GL 621b 1-3 Ich steh vor dir mit leeren Händen ….

 

Begrüßung:

Herzlich Willkommen zum Friedensgebet. Schön, dass auch neue Mitbeter gekommen sind. Schon über 10 Jahre beten wir nun für den Frieden überall auf der Welt. In Afghanistan, in Libyen und Ägypten, im Irak und Syrien, alle Menschen in Gebieten in denen Krieg und Unfrieden herrscht haben wir in unser Gebet eingeschlossen. Auch für den Frieden in unserem Land, in unseren Gemeinden und Familien haben wir gebetet. Ja, selbst für den Frieden in uns und mit Gott haben wir gebittet und gebetet. Wir machen weiter und glauben und sind sicher, dass unser friedliebender Gott den Rest tun wird.

Was können wir noch tun? Jeder Friede beginnt damit, dass einer dem Anderen sein Tun, seine Verfehlungen, seine Schuld vergibt, so wie wir im Gebet des Herrn auch sicher täglich sprechen: „Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben, denen die gegenüber uns schuldig geworden sind“.

Vergebung und mögliche anschließende Versöhnung ist auch für uns oft ganz schön schwer.

Hören wir in diesem Friedensgottesdienst Texte die uns helfen können, immer wieder Worte der Vergebung zu sagen – und auch zu leben.

 

Lied: CD 11 Peace is the way

 

In einem kleinen Dorf wurde eine verheirate Frau mit einem anderen Mann erwischt. Da dies nach den Moralvorstellungen der Dorfbewohner nicht nur eine Schande für ihren Ehemann, sondern für das ganze Dorf darstellte, wurde sie öffentlich angeklagt und erhielt die höchste Strafe: Sie sollte von der Klippe hinabgestoßen werden. Am nächsten Tag trafen sich alle bei der Klippe, man brachte die Frau herbei, führte sie an den Klippenrand und gab ihr einen Stoß, so dass sie hinabstürzte. Danach gingen alle weg. Was niemand bemerkte: Ihr Mann war dabei gar nicht anwesend. Am nächsten Morgen sahen die Leute den Ehemann fröhlich und gelassen vor seinem Haus. Im Haus selbst sahen sie dann zu ihrer großen Verwunderung auch die Ehefrau. Was war geschehen? In der Nacht vor der Vollstreckung des Richterspruches hatte der Mann unterhalb der Klippe ein großes Netz in die Felswand gespannt. Als seine Frau hinabgestoßen wurde, fiel sie in das Netz, konnte sich befreien und ging nach Hause. Ihr Mann, der seine Frau sehr liebte, hatte ihr verziehen. Zugegeben, das klingt alles zu schön, um wahr zu sein. Trotzdem ist es eine beeindruckende Geschichte davon, was eigentlich die Kraft der Vergebung ist: Liebe. Natürlich hatte seine Frau ihn betrogen und damit Schuld auf sich geladen. Natürlich wusste der Mann das und mit ihm das ganze Dorf. Aber er spürte offensichtlich auch, dass die Verurteilung der Frau falsch war, denn sie machte die Schuld ja nicht wieder gut und zerstörte sogar das Leben des Mannes. Sein Liebe zu ihr und das, was sie miteinander verbindet, war stärker als der Wunsch nach Strafe oder Rache.

Wir Christen müssen uns immer wieder bewusst machen, was das Wesen, der Kern unseres Glaubens ausmacht. Jeder Mensch, jeder – auch Du und ich, sind angenommen von unserem liebenden Gott, mit allen Fehlern und mit aller Schuld. Trotzdem muss ich mich immer wieder fragen:

Was ist für mich, in meinem Leben wichtig? Was müsste ich ändern? Wo gibt es Schuld auch in meinem Leben? Mir fällt die Mahnung Jesu ein: „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet.“ Wichtiger als frommes Getue und religiöse Rituale ist meiner Meinung nach der Verzicht auf Besserwisserei und Verurteilung anderer. Wie leicht verurteilen wir Menschen, nur weil sie anders sind als wir oder etwas tun, was unseren Moralvorstellungen nicht entspricht oder uns nicht gefällt. Jesu Aufforderung ist klar: „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet.“

 

Lied: CD 12 So ist Versöhnung

Den Anwesenden verschlägt es den Atem. Der Bundeskanzler kniet nieder und bittet um Vergebung. Im Dezember sind das 42 Jahre her. Da kniet Willy Brandt in Polen nieder. Vor dem Mahnmal für die ermordeten Juden im Warschauer Ghetto verharrt der deutsche Bundeskanzler 30 Sekunden kniend, mit tief gesenktem Haupt. Ob diese Geste etwa geplant war? „Nein, das war sie nicht.“, sagt Willy Brandt Jahre später.
Ein Politiker, der offen Schuld eingesteht, die Schuld eines ganzen Volkes auf seinen Schultern spürt und niederkniet. Das hat die Welt bewegt.
Das Bild prägt mich bis heute: Niederknien, weil man nicht fassen kann, was passiert ist. Weil Schuld einem normalen Miteinander im Wege steht und Vergebung nicht in Sicht ist.
Wie oft wünsche auch ich mir einen Neuanfang. Mit Menschen, die ich enttäuscht oder verletzt habe. Wie oft möchte ich neu anfangen und weiß nicht wie es geht.
Auch wer von Politik nicht viel versteht, das kann er hier spüren: Vergebung öffnet Menschen füreinander.

Schuld eingestehen öffnet Türen und Zukunft.
Heute wissen wir: Brandts Warschau-Reise, dieser Kniefall war der Wendepunkt in der Beziehung zu Polen, aber auch ein Wendepunkt in der Betrachtung Deutschlands durch den Rest der Welt.
Auf die Knie gehen ist gar nicht so einfach. Mir hilft da meine Religion. Vor Gott kann ich das leichter, die eigene Schuld eingestehen. Und ich spüre, wie sehr das befreit.
Mit Gott als Stütze traue ich meinem Nächsten zu, menschlich mit meiner Schuld umzugehen. Das befreit und führt zu einem guten Ende. Im Kleinen wie im Großen.
Jesus schaut auf uns und bittet so: Vater, vergib uns unsere Schuld, weil auch wir vergeben unseren Schuldigern.

Lied: CD 12 So ist Versöhnung

„Jom Kippur“ steht Anfang Oktober wieder im Kalender. War das nicht ein Krieg? wird mancher überlegen. Dabei hat dieser höchste jüdische Feiertag erst mal gar nichts mit Gewalt und Streit zu tun, sondern im Gegenteil: mit Frieden.

Wörtlich aus dem Hebräischen übersetzt heißt er: „Tag der Versöhnung“.

Trotzdem: Politisch-historisch verbindet sich mit Jom Kippur tatsächlich Gewalt: 1973 nützten Ägypten und Syrien die Feiertagsruhe in Israel zum Überraschungsangriff auf das Land, der Jom Kippur-Krieg brach aus.
Israel ist besonders verletzlich an diesem Feiertag, am Tag der Versöhnung. Denn gläubige Juden begehen ihn mit strengem Fasten und Gebetszeiten in der Synagoge. In Israel kommt an diesem Tag das öffentliche Leben völlig zum Erliegen: Fernsehen und Radio unterbrechen ihre Programme, die Straßen sind autofrei, Geschäfte, Kinos und Lokale haben geschlossen. Jom Kippur ist der „Tag heiligster Ruhe“, der „Sabbat der Sabbate“.

Losgelöst vom Alltagstreiben, soll der Mensch um Vergebung bitten für seine Sünden, und er soll sich mit Gott und den Menschen versöhnen.

Ein ganzer Tag für die Versöhnung: Ich finde das eine ziemlich faszinierende Idee, nicht nur für Juden heute. Wie viel Streit gibt es zwischen Gott und Mensch und natürlich: zwischen Menschen. Heute, jeden Tag oder jede Woche werden es möglicherweise einige ganz deutlich spüren: Diese oder jene Freundin ruft nicht an – oder der eigene Sohn oder die Tochter. Weil man sich verkracht hat, mehr oder minder offensichtlich. Manchmal ist der Grund kaum noch zu nennen. Aber das Zerwürfnis ist da, und es tut in der Seele weh, meistens auf beiden Seiten.

Aber Versöhnung, ein erster Schritt, ein erster Anruf: Das ist schwer. Und es macht auch verletzlich, wie Jom Kippur: Wer sich versöhnen will, macht sich angreifbar.

Trotzdem: Es lohnt sich, Versöhnung zu riskieren. Denn, so erzählt schon die Bibel: Versöhnung, die kann ein richtiges Fest werden. Es kann unbeschreiblich froh machen, wenn sich Zerstrittene wieder in den Armen liegen. Vielleicht passiert das ja heute mancherorts, oder im Rest der Woche, oder spätestens am 8. Oktober, am Tag der Versöhnung.

Lied: CD 12 So ist Versöhnung

Über das Altwerden nachzudenken ist für die meisten von hier ja sicher ein Thema. Ich habe es immer als hilfreich empfunden, mich durch Begegnungen mit alten Menschen schon früh damit auseinanderzusetzen. Ich hoffe, dass ich dadurch auf das Alter gut vorbereitet bin und etwas Sinnvolles aus den späten Jahren machen kann.
Im Alter entstehen ja durchaus Freiräume für Neues. Die Frage darf deshalb nicht lauten: Was kann ich noch tun im Sinne von: Wie weit kann alles weiterlaufen wie bisher? Vielmehr muss sie lauten: Was kann ich gerade jetzt tun? Wie kann ich konstruktiv im Heute leben, anstatt nur der Vergangenheit nachzutrauern? Ich kenne viele positive Beispiele dafür. Da passen Senioren auf die Babys der Jugendleiter auf, während diese in der Gemeinde mitarbeiten. Da ist man sensibel geworden, sich in die Nöte anderer hineinzuversetzen und wird auf einmal zum geschätzten Gesprächspartner. Da investiert sich jemand ehrenamtlich in ein soziales Projekt oder gründet sogar eines.
Das Alter als eigene, positive Phase wird aber nur der erleben, dem es gelingt, die Vergangenheit aufzuräumen und loszulassen. Nicht nur das Schöne gilt es loszulassen, auch das Dunkle, das Belastende soll zurückbleiben. Im Alter hat der Mensch in der Regel mehr Zeit. Längst vergessen Geglaubtes meldet sich wieder zu Wort. Menschen von damals werden wieder wichtig, gerade auch solche, die vermeintlich oder tatsächlich an uns schuldig geworden sind und versagt haben: Eltern, Lehrer, alte Freunde, Partner – oder auch die Gesellschaft, die Umstände, die Zeit damals… Da kann sich leicht das Gefühl einschleichen, ich bin zu kurz gekommen. Vielleicht bricht aber auch eigene Schuld wieder auf. Immer wieder kreisen die Gedanken darum, und alle Versuche, sich selbst davon frei zu argumentieren, wollen einfach nicht gelingen.
Wie gut ist es, mit all dem zu Gott zu gehen. Bei ihm lerne ich, bewusst Ja zu sagen, zu meinen Grenzen, die vielleicht viel enger geraten sind, als ich es mir erhofft hatte. Ich nehme endgültig Abschied von den geplatzten Träumen. Ich nenne beim Namen, was ich durch meinen Eigensinn von Gottes Plänen vereitelt habe. Ich bitte Gott und Menschen um Vergebung, für das, was ich ihnen schuldig geblieben bin. Dabei reift zwangsläufig auch die Bereitschaft, anderen zu vergeben.
Am Ende ist es keineswegs so, als wäre all das Schwere nie geschehen. Ein vernarbtes Leben bleibt zurück, und Narben können durchaus gelegentlich noch schmerzen. Aber es sind eben keine offenen, unbehandelten Wunden mehr, die sich entzünden könnten. Wie der alte Simeon im Neuen Testament kann man sagen: „Nun lässt du deinen Diener in Frieden ziehen (Luk 2,29).

 

Lied: CD 7 Jenseits von Gut und Böse

 

Lasst uns nun gemeinsam das Vater Unser beten und unsere Hände öffnen, damit Gott uns Vergebung schenken kann und wir freie Hände haben zur Vergebung derer, die an uns schuldig geworden sind. Dann können wir beide Hände zur Versöhnung reichen.

Vater Unser ….

Wir wollen unseren versöhnenden Gott um seinen Segen bitten:

Möge unser Arm nicht erlahmen,
wenn wir die Hand zur Versöhnung ausstrecken.
Möge unser Fuß nie müde werden,
wenn wir auf unsere Widersacher zugehen.
Mögen uns Flügel eines Engels wachsen,
wenn wir von diesem Gang zurückkehren.

 

Dazu segne uns der treue und uns immer liebende Gott:

Der Vater und der Sohn mit dem Heiligen Geist. Amen

 

Lied: CD 9 Keinen Tag soll es geben


 

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