20.02.05 „Bitte nicht – es ist Fastenzeit!“

Wort zum Sonntag 19/20.02.05 „Bitte nicht – es ist Fastenzeit!“

„Bitte nicht – es ist Fastenzeit!“ Wie blöd man ist, merkt man leider oft hinterher, zu spät, man könnte vor Scham im Boden versinken oder vor Zorn über sich laut schreien.

Es war kurz vor Ostern 1987, ich war das erste Mal als Tourist in Calcutta. Ein indischer Bekannter bot mir an einen Termin bei Mutter Theresa zu machen, seine Schwester gehörte auch zu dem Orden der „Sisters of Charity“. Gerne nahm ich das Angebot an. Bald darauf standen wir vor dem Haus in der Lower Circular Road. Beeindruckend diese meist zarten Schwestern in ihren weißen Gewändern mit blauen Streifen, dem Gewand der Ärmsten.

Mutter Theresa sei gerade in einer Besprechung hieß es, käme aber gleich. Wir standen vor der Tür, plötzlich dachte ich, bist du verrückt Arthur, störst diese so tolle Frau!? Aber da war es zu spät, Mutter Theresa kam heraus, ich musst runter schauen, so klein war sie und zierlich, gebeugt und dennoch eine gerade Frau. Ich habe nie schönere Falten im Gesicht eines Menschen gesehen und Augen, fröhliche Augen, die bis tief in mein Herz sahen. Eine lebendige Heilige! Ich hatte mir soviel ausgedacht was ich sagen wollte, aber ich stotterte nur sehr schlecht und sagte hilflos „Danke, für all das was sie tun“. Sie schaute mich noch intensiver an, lächelte und sagte: „Ich bete für Dich!“ Noch heute geht mir dieser Satz durch und durch. Einfach nur und dennoch so unendlich viel „Ich bete für Dich!“

Gott sei Dank – ich hatte später noch öfter Gelegenheit mit Mutter Theresa im Gottesdienst zu beten, selbst wenige Wochen vor ihrem Tod 1997.

„Ich bete für Dich!“ – Schlüsselworte auch für meine Fastenzeit. Beten für Menschen, die ich kaum kenne. Beten für Menschen, die meine Gespräche und Termine stören. Beten für Menschen die mir auf den Geist gehen. Wenn ich mit einem Menschen gar nicht zurecht komme, bete ich für ihn und ich sehe diese Person in ganz anderem Licht. Es funktioniert.

Und als ich um ein Foto bat, natürlich von Mutter Theresa und mir, noch blöder diese Idee, schaute sie mich wieder tief an, lächelte und sagte: „Bitte nicht, es ist Fastenzeit!“ Mit diesen zwei Sätzen war das Gespräch zu Ende und für mich die Lehrstunde meines Lebens.

Wie schwer ist es für mich jedes Jahr durchzuhalten und in der Fastenzeit keinen Alkohol zu trinken – so oft gibt es einen Anlaß und oft traut man sich nicht zu sagen: „Bitte nicht, es ist Fastenzeit!“

„Von den Besten lernen“ – das gilt nicht nur in der Wirtschaft sondern besonders auch für uns Christen. Es gibt viele „Mutter Theresas“, auch unter uns, aber die kleine liebenswerte heilige Frau aus Calcutta zählt zu den Allerbesten.

Vielleicht gelingt es auch uns in dieser Fastenzeit Menschen zu überraschen indem wir sie liebevoll anschauen und ihnen sagen: „Ich bete für Dich!“ oder indem wir häufiger mit fröhlichem Gesicht sagen: „Bitte nicht, es ist Fastenzeit!“

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