23. So im J – C – 4. September 2022 – Kreuz tragen

So oft habe ich das schon erlebt. Da beginnt die Pfarrgemeinderatssitzung, oder Vorstandssitzung bei Kolping und die Vorsitzende fragt: „Wer schreibt das Protokoll?“
Meist alle schauen plötzlich wie gebannt auf den Fußboden oder das vor ihnen liegende Papier oder Handy.
Jetzt ja nicht hochgucken und schon gar nicht auffallen.
Es gibt kaum längere und vor allem kaum peinlichere Sekunden in einer Sitzung, bis sich dann endlich jemand bereiterklärt, das Protokoll halt in Gottes Namen zu schreiben.

Diese quälenden Sekunden in denen jeder hofft, ja nicht angeschaut, ja nicht entdeckt zu werden – Sie kennen sie sicher alle – und nicht nur, wenn es darum geht, einen Protokollanten zu finden. So siehts eigentlich immer aus, wenn Aufgaben oder irgendetwas Unangenehmes verteilt werden.

Und genauso würde es wahrscheinlich auch aussehen, wenn sich Jesus Christus vor uns hinstellen würde, um Kreuze zu verteilen.

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben,

ich kann mir nicht vorstellen, dass dann irgend jemand von uns „Hier!“ schreien würde. Vordrängeln würde sich dann niemand, und Verlangen nach einem besonders großen Kreuz hätte mit Sicherheit auch keiner von uns.

„Wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachfolgt, der kann nicht mein Jünger sein“ – wenn Jesus damit meint, dass wir voller Begeisterung, mit Jauchzen und Frohlocken das uns gegebene Kreuz auf uns nehmen und hinter ihm hermarschieren, dann sähe es wohl recht mager aus.

Ganz ehrlich, da wäre ich dann wohl auch nicht dabei.
Ich liebe das Leben genauso wie fast alle von Ihnen.
Und ich sehne mich nach Glück und Zufriedenheit und freue mich über jeden schönen Tag, nicht weniger als alle anderen.

Und das ist auch gut so. Denn ich bin davon überzeugt, dass unser Jesus Christus auch nichts anderes von uns will.

Alle, die aus solchen Stellen, wie dem heutigen Evangelium den Schluss ziehen, dass man das Leben, so wie wir es kennen, geringachten müsste, dass man keine Freude haben dürfte.
Oder dass es darum ginge, alles was diese Welt und das Leben darin ausmachen, möglichst weit von sich zu schieben.
Oder, dass man nach dem Leiden, dem Kreuz oder gar nach dem Martyrium regelrecht verlangen müsse, ich glaube, dass all diejenigen das Evangelium völlig falsch verstanden haben.

Wir bekamen das Leben nicht geschenkt, um es wegzuwerfen.
Wir bekamen es, um es zu leben.
Und wir dürfen dieses große Geschenk Gottes lieben, weil auch Gott das Leben liebt und nicht den Tod.

Jesus hat sich auch nicht nach dem Kreuz gedrängt. Er hat darum gebetet, das Gott diesen Kelch an ihm vorübergehen lasse.
Jesus wäre sicher, wenn es einen anderen Weg gegeben hätte, einen anderen gegangen. Lebensmüde war Jesus absolut nicht.

Und weltverachtend war er schon gar nicht. Hat er denn etwa zu den Kranken, die ihm begegneten, gesagt: „Toll dass ihr krank seid, das ist das Kreuz, das ihr mit Freuden tragen sollt!“?

Er hat sie gesund gemacht, er hat Menschen geheilt, damit sie leben konnten, so wie Gott uns das Leben geschenkt hat.

Und deshalb dürfen und deshalb müssen wir uns auch mit allen Kräften dafür einsetzen, dass das Leben von Menschen lebenswert ist.

Und trotzdem, trotz allem hat uns Jesus auch gezeigt, dass die Kreuze bleiben..
Es gibt das Leid und es gibt den Tod und es führt für niemanden ein Weg daran vorbei, weil der Tod das Tor in die neue Wirklichkeit von Leben ist, die uns Gott selbst als Fülle des Lebens vor Augen stellt.

Warum das so sein muss, das weiß keiner von uns.
Wann es so weit ist, kann niemand sagen.
Wie es genau aussehen wird, steht in den Sternen.
Und welches Kreuz ich zu tragen habe, wage ich mir nicht einmal auszumalen.

„Welcher Mensch kann Gottes Plan erkennen, oder wer begreift, was der Herr will?“ fragt sich selbst die Bibel – als Lesung haben wir es heute aus dem Buch der Weisheit gehört.

Ich glaube, genau das möchte uns Jesus im heutigen Evangelium sagen: Er will uns nicht die Freude am Leben nehmen.
Und er will auch keine Christenheit, die griesgrämig und trübselig wäre und auch nicht so schaut – auch nicht im Gottesdienst.
Aber Jesus macht keinen Hehl daraus, dass es für jeden von uns das Kreuz gibt.
Und wenn dieser Kelch an uns nicht mehr vorüber gehen kann, dann werden auch wir ihn trinken müssen.
Nicht mit Freude, schon gar nicht mir Begeisterung.
Einfach im Bewusstsein, dass kein Weg daran vorbeiführt;
einfach in der Erinnerung, dass auch Jesus der Herr,
keinen anderen Weg gefunden hat;
und in ganz festem, dass Jesus mir hilft, mein Kreuz zu tragen.

Amen.

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