2009 Palmsonntag „Der Schattenbaum“

Wort zum Sonntag, Palmsonntag 2009 „Der Schattenbaum“

Es gibt Situationen im Leben, da fällt selbst mir nichts mehr ein. Es gibt Tage da habe selbst ich keine Lust auf Witze oder dumme Sprüche. Es gibt Momente, da könnte ich heulen, obwohl ich wirklich nicht zu Depressionen neige. Im Ostergarten des Pastoralverbundes geht mir das so, wenn ich mein bescheidenes Kreuz meine Last (Lastenstein) von Gethsemane bis zum Kreuz trage. Das haut mich um, das verschlägt mir jede Sprache, und das heißt schon was. Darum möchte ich heute für Sie auch nur mit Worten einer Geschichte versuchen meine Gedanken zur Karwoche auszudrücken.

„Es war einmal ein Mann, irgendwo auf dieser Welt, dort, wo die Sonne deutliche Schatten wirft. Und dieser Mann hatte deshalb auch einen ganz ausgeprägten Schatten – so wie die meisten Menschen um ihn herum. Überall, wo er stand, zeichnete sich auf dem Boden ganz deutlich sein Schatten ab. Nur unterschied sich dieser Mann auf eine Art von all den anderen Menschen. Im Unterschied zu vielen anderen bemerkte er nämlich, dass er diesen Schatten hatte! Und er bemerkte seinen Schatten nicht nur, er begann sich auch ganz kräftig über ihn zu ärgern; er spürte nämlich: dieses Schattenbild gehörte zwar zu ihm, aber es war wie ein dunkler Fleck auf seiner Person. Und so überlegte er mit aller Kraft, wie er seinen Schatten loswerden könnte.

Da machte er eine ganz großartige Entdeckung. Er merkte nämlich, immer dann, wenn er genau so stand, dass ihm die Sonne ins Gesicht schien, dann war der Schatten verschwunden. Und so beschloss er, eben nur noch so herumzulaufen, dass er die Sonne im Gesicht hatte. Schon begann er sich zu freuen und meinte, seinen Schatten nun endgültig losgeworden zu sein, bis die anderen anfingen zu lachen und ihm zuriefen: „Du Narr, du bildest Dir ein, keinen Schatten mehr zu haben? Dabei ziehst Du ihn die ganze Zeit hinter Dir her, ohne ihn zu sehen!“

Da war der Mann furchtbar enttäuscht. Und verärgert über seine eigene Dummheit ging er in die Stadt, denn er hatte gehört, dass man dort seinen Schatten sehr leicht vergessen könnte! Aber auf den geteerten Straßen der Stadt sah er ihn nur um so deutlicher. Und auch als er versuchte, seinen Schatten mit weißer Farbe zu übertünchen, kamen die Konturen nur um so kräftiger heraus.

Völlig entmutigt ging er weg, ging weit hinaus aufs Feld und setzte sich unter einen Baum. Es war ein großer und mächtiger Baum, und die Äste mit den vielen Blättern reichten weit über das Feld. Da wurde unser Mann plötzlich richtig froh, denn es war schön, unter dem Baum zu sitzen. Ja, und er wurde sogar richtig glücklich, als er auf einmal bemerkte, dass sein Schatten ja gar nicht mehr da war. Egal wohin er auch sah, egal wie herum er sich auch drehte, nirgendwo war mehr etwas von seinem Schatten zu sehen. Dieser Baum hatte den Schatten unseres Mannes vollkommen weggenommen. Das dichte Laubwerk verdeckte die Sonnenstrahlen und unser Mann warf mit einem Mal keinen Schatten mehr. Unter diesem Baum war jenem Mann gelungen, was er überall sonst vergebens versucht hatte, es war ihm gelungen, seinen Schatten loszuwerden“.

Sie kennen den Baum, unter dem man diesen Schatten los wird? Sie haben ihn bestimmt schon oft gesehen. Dieser schwere Balken im Ostergarten, zusammengefügt zum Kreuz, sein Kreuz, dieses Holz an den man unseren Bruder und Herrn Jesus Christus genagelt hat. Sein Kreuz ist für jeden – auch für Dich – zu einem Baum geworden, der die Schatten aller Schuld für immer wegnimmt. Sein Kreuz ist dieser Baum der uns von der Last des Schattens unserer Lieblosigkeit befreit. Dankbar und erleichtert habe ich meinen Lastenstein unter dem Kreuz, wahrscheinlich aber auch zusätzlich auf dem schweren Balken, abgelegt. Meine kaum zu unterdrückenden Tränen sollten vielleicht Tränen der Trauer über den Tod Jesu sein, aber sie sind Ausdruck meiner Freude über die Sonne, über die Helligkeit ohne Schatten, über eine Zukunft ohne Schuld.

Ihnen und Ihren Familien wünsche ich eine gesegnete Karwoche.

Ihr Arthur Springfeld, Diakon)

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