26.09.10 „Einen Menschen zu lieben …“

Wort zum Sonntag 25./26.09.2010 „Einen Menschen zu lieben …“

Mich berührt das immer sehr, wenn ich in Verl oder in Urlaubsorten alte Ehepaare sehe, die Hand in Hand spazieren gehen und sich oft beispiellos liebevoll anschauen. Man könnte glauben, sie sind noch in den Flitterwochen und haben dabei die goldene Hochzeit oft schon hinter sich.

Wer von uns, auch die noch jung Verheirateten, wünscht sich das nicht? Der Eine kann nicht mehr, der Andere versorgt ihn. Und das geschieht ganz selbstverständlich. Oft sind es die Frauen, die den alt und gebrechlich gewordenen Lebenspartner pflegen und liebevoll versorgen, aber umgekehrt natürlich auch. Unter diesen Umständen sind das Miteinander und der Alltag natürlich nicht immer leicht. Manche bieten Kräfte auf, die die Grenze der Belastbarkeit fast überschreiten. Dennoch übernimmt der Partner in freier Entscheidung die Aufgabe, den Anderen zu begleiten und zu pflegen bis ans Ende und das mit einer Selbstverständlichkeit, die keine Zweifel offen lässt.

Von Albert Camus, dem französischen Schriftsteller, stammt der Satz: „Einen Menschen zu lieben heißt einwilligen, mit ihm alt zu werden.“ Dieser Satz hat sich bei mir fest gemacht. Aber mir kommen auch einzelne Männer in den Sinn, die einem Trugschluss erliegen. Ihre Frauen werden älter, nur sie selbst anscheinend nicht. Ihre Selbstwahrnehmung hinkt dem Alter hinterher. In meinem Empfinden bin ich jünger als mein biologisches Alter erlaubt. Da gibt es dann ältere Männer, die suchen sich an Stelle ihrer ebenso älter gewordenen Frau eine jüngere, manchmal vom Aussehen und Gehabe der Ehefrau sehr ähnlich, nur bedeutend jünger. Vielleicht meinen sie, dass sie dadurch jung bleiben.
„Einen Menschen zu lieben heißt einwilligen, mit ihm alt zu werden.“ Am Anfang ist das für jedes Paar selbstverständlich. Im Traugottesdienst versprechen sie es sich dann aus tiefster Überzeugung. Sie sagen ohne jeden Zweifel „Ja“ wenn ich ihnen die zur Gültigkeit der Ehe notwendige Traufrage stelle: „Glaubt ihr, dass Gott euch einander anvertraut hat. Wollt ihr ein Leben lang füreinander da sein in Freud und Leid, in guten und in bösen Tagen, bis Gott euch durch den Tod scheidet?“ Im Gespräch vor der Trauung war das bei mir noch nie die Frage, ob die beiden Brautleute einander die Treue halten würden. Da störte höchstens der Satz vom Tod und vom scheiden. Lieber wollten sie ewig beieinander bleiben.
Mit den Jahren und zunehmenden Alltag schwankt oft diese Sicherheit. Da braucht es immer wieder eine neue Einwilligung, immer wieder neu das „Ja“ miteinander alt zu werden. Das kann gelingen, wenn die älter gewordenen Paare sich erinnern: Wir haben so vieles miteinander erlebt. So viel Schönes, so viel Freude. Auch sorgenvolle Zeiten haben wir miteinander ausgehalten und durchgestanden. Gemeinsam kann man das Schöne intensiver genießen und sich gegenseitig aufmerksam machen. Und gemeinsam kann man das Schwere leichter tragen. Oft sind Kinder und Enkelkinder zusätzlich Motivation, alt zu werden um deren Leben zu erleben und zu begleiten. Welche wertvollen Schätze können so auch transportiert werden!
Einwilligen, miteinander alt zu werden, „Ja“ sagen zu guten und zu schlechten Zeiten heißt: das eigene Altern und das des Partners annehmen. Einander immer wieder vergeben. Jeden Tag als Chance füreinander wahrzunehmen, und das, was man miteinander geschenkt bekommen hat, gemeinsam genießen. So miteinander alt werden und in das Altwerden einwilligen, das ist Liebe und die kann ewig halten.

Ihnen wünsche ich, dass Sie an diesem Sonntag jemand ganz lieb in den Arm nimmt.

Ihr fast alter Diakon Arthur Springfeld

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