24. So. C.„Egal, welchen Scheiß du machst, komm nach Hause, ich helfe Dir!“ Lk 15,1-3.11-32

Es gibt Sätze, die man nie vergisst. Unser Papa sagte zu uns Kindern immer wieder – in emsländischem Deutsch: „Egal, welchen Scheiß du machst, komm nach Hause, ich helfe Dir!“ Hat er auch gemacht.
Solch einen Satz vergisst man sein Leben lang nicht und ich habe ihn unseren Kindern auch immer wieder gesagt. So ein Hilfsangebot ist mit allem Geld dieser Welt nicht aufzuwiegen.
Vor allem dann nicht, wenn man weiß, mit welcher Liebe dieses vom Gegenüber gesagt worden ist.
Nur wer Ähnliches selbst gehört und erlebt hat, wird ahnen können, was solch ein Satz in einem Menschen auslösen kann.
Wer jemals auf solche Worte in seinem Leben gewartet hat oder immer noch darauf wartet, der wird von dem berührt sein, was Lukas in seinem Evangelium vom „Barmherzigen Vater“ erzählt:

„Alle Zöllner und Sünder kamen zu Jesus, um ihn zu hören. Die Pharisäer und die Schriftgelehrten empörten sich darüber und sagten: Er gibt sich mit Sündern ab und isst sogar mit ihnen. Da erzählte Jesus ihnen ein Gleichnis und sagte: Ein Mann hatte zwei Söhne. Der jüngere von ihnen sagte zu seinem Vater: Vater, gib mir das Erbteil, das mir zusteht. Da teilte der Vater das Vermögen auf.
Nach wenigen Tagen packte der jüngere Sohn alles zusammen und zog in ein fernes Land. Dort führte er ein zügelloses Leben und verschleuderte sein Vermögen. Als er alles durchgebracht hatte, kam eine große Hungersnot über das Land und es ging ihm sehr schlecht. Da ging er zu einem Bürger des Landes und drängte sich ihm auf; der schickte ihn aufs Feld zum Schweinehüten. Er hätte gern seinen Hunger mit den Futterschoten gestillt, die die Schweine fraßen; aber niemand gab ihm davon. Da ging er in sich und sagte: Wie viele Tagelöhner meines Vaters haben mehr als genug zu essen und ich komme hier vor Hunger um.
Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt. Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein; mach mich zu einem deiner Tagelöhner. Dann brach er auf und ging zu seinem Vater. Der Vater sah ihn schon von Weitem kommen und er hatte Mitleid mit ihm. Er lief dem Sohn entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn.
Da sagte der Sohn: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt; ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein. Der Vater aber sagte zu seinen Knechten: Holt schnell das beste Gewand und zieht es ihm an, steckt ihm einen Ring an die Hand und zieht ihm Schuhe an.
Bringt das Mastkalb her und schlachtet es; wir wollen essen und fröhlich sein. Denn mein Sohn war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden. Und sie begannen, ein fröhliches Fest zu feiern.“

In dieser Erzählung finde ich alles, was für mich zu einem tollen Vater, oder auch Mutter gehört.
Hier lässt der Vater seinem jüngeren Sohn Freiraum, engt ihn nicht ein.
Als er wegwill, teilt er sogar das Vermögen der Familie, auch wenn es schmerzt.
Seinen Sohn ziehen zu lassen, heißt für ihn aber nicht: Die Brücken abzubrechen und ihn für immer abzuschreiben. Wenn er ihn auch aus den Augen verliert, die nicht zu tötende Liebe zu ihm bleibt weiter bestehen.
In seinen Gedanken ist er immer bei ihm und hofft, dass er irgendwann den Weg zurückfindet.
Dieser Vater will sich auch beim Wort nehmen lassen „Egal, was Du machst, komm nach Hause, ich helfe Dir.“
Auch wenn dieser Satz bei Lukas so nicht überliefert ist, er steht unausgesprochen im Raum. Und er wird eingelöst. Der gescheiterte Sohn kehrt zurück und der Vater macht den großen Schritt und kommt ihm entgegen. Jetzt ist nicht Zeit auf und abzurechnen, zu fluchen oder zu schweigen, sondern es ist Augenblick reinster Freude über das Wiederhaben des Kindes. Und es gibt noch eine Steigerung.
Er setzt ihn wieder als Sohn und Erben ein, ohne – hört zu Leute – ohne Bedingungen zu stellen.
Alles soll wieder wie vorher sein, so als hätte es eine traurige Vorgeschichte nie gegeben.
1000-mal gehört und immer wieder rührt diese Liebesgeschichte an. Weil sie zunächst einmal zeigt, dass ausreichend Platz und Zeit sein muss, damit ein Kind sich in Freiheit ausprobieren darf. Und dass Scheitern – auch mehrmals – niemandem zum endgültigen Verhängnis werden muss. Sondern, dass es zumindest bei Gott immer, immer einen Weg zurückgibt.

Viele Menschen, auch Jugendliche, können ein Lied davon singen, was es heißt, wenn Lebensplanungen zerbrechen. Wenn tolle Ideen wie Seifenblasen platzen. Wem heute noch die Welt zu gehören scheint, der kann schon morgen in eine Situation kommen, die dem Schweinehüten des jüngeren Sohnes vergleichbar ist. Hartz 4 annehmen, Knast, obdachlos.
Denn nicht jeder hat, wie in diesem Gleichnis, das Glück so einen Vater, oder auch Partner zu haben, der erst mal sagt: „Egal welchen Mist Du gemacht hast, gut, dass Du wieder da bist, ich helfe Dir“.

Aber unsere Geschichte geht noch weiter. Sie erzählt auch von dem anderen Sohn, der sich mit der Rückkehr des Bruders und der Güte des barmherzigen Vaters um sein Leben betrogen fühlt.

„Sein älterer Sohn war unterdessen auf dem Feld. Als er heimging und in die Nähe des Hauses kam, hörte er Musik und Tanz. Da rief er einen der Knechte und fragte, was das bedeuten solle. Der Knecht antwortete: Dein Bruder ist gekommen und dein Vater hat das Mastkalb schlachten lassen, weil er ihn heil und gesund wiederbekommen hat. Da wurde er zornig und wollte nicht hineingehen. Sein Vater aber kam heraus und redete ihm gut zu. Doch er erwiderte dem Vater: So viele Jahre schon diene ich dir, und nie habe ich gegen deinen Willen gehandelt; mir aber hast du nie auch nur einen Ziegenbock geschenkt, damit ich mit meinen Freunden ein Fest feiern konnte. Kaum aber ist der hier gekommen, dein Sohn, der dein Vermögen mit Dirnen durchgebracht hat, da hast du für ihn das Mastkalb geschlachtet. Der Vater antwortete ihm: Mein Kind, du bist immer bei mir, und alles, was mein ist, ist auch dein. Aber jetzt müssen wir uns doch freuen und ein Fest feiern; denn dein Bruder war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden.“
So einen Sohn, wie den zweiten, wünschen sich Eltern. Treu, arbeitsam und pflichtbewusst. Einer, der immer gehorsam ist, der keinen Mist baut, auf den man sich verlassen kann.

Doch dieser Sohn empfindet die Sonderbehandlung des jüngeren Bruders als großes Unrecht. Der Kleine hat Party ohne Ende gemacht, gesoffen und Drogen. Die Nachbarn tratschen heimlich grinsend über die Familie. Und dieses Blag wird jetzt auch noch belohnt.
Seine Vorstellung einer gerechten Welt scheint für den Älteren nicht zu funktionieren.
Sollte das etwa wirklich auch Gottes Gerechtigkeit sein?

Die Gedanken des älteren Sohnes kann ich schon auch ein ganzes Stück verstehen – Sie auch?
Ein gutes, ordentliches und pflichtbewusstes Leben, so wie es sich gehört – voller Einsatz und tüchtiges Lernen, soll in meinen Augen dann natürlich auch belohnt werden, was denn sonst?
Es soll einfach nur gerecht zugehen in der Welt und im Leben, auch für die Anderen, rechts und links, so stelle ich mir das Miteinander jedenfalls schon vor.
Doch komisch – das Evangelium folgt Arthurs menschlich verständlichen Überlegungen nicht, sondern zeigt eine ganz andere Gerechtigkeit, die mir in meinem kleinen Hirn zunächst verschlossen bleibt.
Jesu Botschaft setzt bei dem an, was sich niemand verdienen kann und niemand verdienen muss.
Über jedem Leben steht nämlich die Zusage unseres barmherzigen Gottes, dass bei ihm keiner verloren ist. Egal wie und wie oft er sich von ihm entfernt, oder welchen Fehler er gemacht hat.
Bei Gott gilt nicht die menschliche Messlatte.
Gott zählt nicht wie wir! Gott rechnet nicht wie wir!
Denn unser Gott hat eine Schwäche für alle Menschen – auch für mich und natürlich auch für Euch.

Der Evangelist Lukas hat in diesem Gleichnis die Zerrissenheit, aber auch die große Sehnsucht des Menschen aufgearbeitet.
Wüssten wir sonst nichts über diesen unsern Gott als nur das, was hier beschrieben wird, es würde ausreichen, um zu spüren, mit welchem gigantischem, unbegreifbaren Gegenüber der Mensch es mit Gott zu tun hat.
Nämlich mit einem barmherzigen Gott, der eine liebende Schwäche für den schwach gewordenen Menschen hat. Für den Menschen, der unten angekommen ist, im Sumpf, in der Gülle, so tief, dass es tiefer nicht mehr geht. Und auch für den, der sich vom Leben betrogen und benachteiligt fühlt. Der mit Gott hadert und vielleicht schon verbittert seinen Glauben aufgegeben hat.
Das Gleichnis vom barmherzigen Vater ist ein Zeugnis für großartige Elternliebe, die kein Kind verloren gibt, es immer werthält, ihr Kind zu sein und zu bleiben, was immer auch geschieht.
Vergesse ich nie:
„Egal, welchen Scheiß du machst, komm nach Hause, ich helfe Dir!“
AMEN

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