Predigt 15. Sonntag B, Zeugnistag – Mk 6,7-13

PREDIGT – 15. Sonntag im Jahreskreis – 15. Juli 2018 – MARKUS 6,7‑13

Zeugnistag (Song einspielen R. Mey)
Ich denke, ich muss so zwölf Jahre alt gewesen sein,
Und wieder einmal war es Zeugnistag.
Nur diesmal, dacht‘ ich, bricht das Schulhaus samt Dachgestühl ein,
Als meines weiß und hässlich vor mir lag.
Dabei war‘n meine Hoffnungen keineswegs hoch geschraubt,
Ich war ein fauler Hund und obendrein
Höchst eigenwillig, doch trotzdem hätte ich nie geglaubt,
So ein totaler Versager zu sein.

So, jetzt ist es passiert, dacht‘ ich mir, jetzt ist alles aus,
Nicht einmal eine 4 in Religion.
Oh Mann, mit diesem Zeugnis kommst du besser nicht nach Haus,
Sondern allenfalls zur Fremdenlegion.
Ich zeigt‘ es meinen Eltern nicht und unterschrieb für sie,
Schön bunt, sah nicht schlecht aus, ohne zu prahl‘n!
Ich war vielleicht ‘ne Niete in Deutsch und Biologie,
Dafür konnt‘ ich schon immer ganz gut mal‘n!

Der Zauber kam natürlich schon am nächsten Morgen raus,
Die Fälschung war wohl doch nicht so geschickt.
Der Rektor kam, holte mich schnaubend aus der Klasse raus,
So stand ich da, allein, stumm und geknickt.
Dann ließ er meine Eltern kommen, lehnte sich zurück,
Voll Selbstgerechtigkeit genoss er schon
Die Maulschellen für den Betrüger, das mißrat‘ne Stück,
Diesen Urkundenfälscher, ihren Sohn.

Mein Vater nahm das Zeugnis in die Hand und sah mich an
Und sagte ruhig: „Was mich anbetrifft,
So gibt es nicht die kleinste Spur eines Zweifels daran,
Das ist tatsächlich meine Unterschrift.“
Auch meine Mutter sagte, ja, das sei ihr Namenszug.
Gekritzelt zwar, doch müsse man versteh‘n,
Dass sie vorher zwei große, schwere Einkaufstaschen trug.
Dann sagte sie: „Komm, Junge, lass uns geh‘n.“
Ich hab‘ noch manches langes Jahr auf Schulbänken verlor‘n
Und lernte widerspruchslos vor mich hin
Namen, Tabellen, Theorien von hinten und von vorn,
Daß ich dabei nicht ganz verblödet bin!
Nur eine Lektion hat sich in den Jahr‘n herausgesiebt,
Die eine nur aus dem Haufen Ballast:
Wie gut es tut, zu wissen, dass dir jemand Zuflucht gibt,
Ganz gleich, was du auch ausgefressen hast!

Ich weiß nicht, ob es Rechtens war, dass meine Eltern mich
Da rausholten, und wo bleibt die Moral?
Die Schlauen diskutier‘n, die Besserwisser streiten sich,
Ich weiß es nicht, es ist mir auch egal.
Ich weiß nur eins, ich wünsche allen Kindern auf der Welt,
Und nicht zuletzt natürlich dir, mein Kind,
Wenn‘s brenzlig wird, wenn‘s schiefgeht, wenn die Welt zusammenfällt,
Eltern, die aus diesem Holze sind.

Ich weiß nicht, wie Reinhard Mey an meine, an Arthur Springfelds Lebensgeschichte gekommen ist, die ich eins zu eins genau so erlebt habe.
Ich weiß auch nicht, ob es vor Gericht Bestand hätte, dass mein Vater mich damals gerettet hat.
Ich bin heute ziemlich sicher, dass der Lehrer das auch gemerkt hat und mir eine neue Chance gab.
Natürlich hat Papa hinterher zuhause mich sehr ernst angeschaut und gesagt:
„Das machst Du nie wieder!“
Das genügte – und ich habe es nie wieder gemacht. Eine Lehrstunde für das Leben, auch heute noch nach 60 Jahren.

Der Sohn: ein fauler Hund, schulisch ein Versager, ein Urkundenfälscher, und trotzdem stehen die Eltern weiterhin zu ihm und glauben weiterhin an ihn.
Das ist eigentlich die wichtigste Qualifikation für ein Kind im Leben, wichtiger als schulische Leistung: dass es jemanden gibt, der zu mir steht und an mich glaubt.
Dann ist auch eine Sechs in der Schule nicht mehr so schlimm.

Welche Qualifikationen verlangt Jesus von seinen Aposteln, d.h. von den Menschen, die die Frohe Botschaft verkünden sollen?
Im Evangelium heißt es, er gebot ihnen, nichts auf den Weg mitzunehmen, kein Brot, keine Vorratstasche, kein Geld“. Es braucht also keine materiellen Voraussetzungen, um Apostel zu sein, keine Mitgift.

Es braucht eigentlich auch keine Schulabschlüsse oder moralischen Voraussetzungen.
Jesus hat ja zum großen Teil ganz einfache Leute berufen.
Apostel Jesu sein kann jeder, egal, wie wenig an Voraussetzungen er mitbringt.
Egal, was er in der Vergangenheit schon alles angestellt hat.
Die entscheidende Qualifikation ist, dass Jesus an ihn glaubt und der Jünger diesen Glauben erwidert.

Sooft habe ich später mit meinen eigenen Kindern oder Enkeln in der Grundschule oder am Gymnasium erlebt, dass sie Theaterstücke oder Musikaufführungen hatten. Der Saal, die Aula war immer voll, großartige Atmosphäre, die Kinder nervös und gespannt. Und alle waren beteiligt, egal welche Noten, egal welche schulischen oder sogar familiären Probleme sie hatten.

Aber auf dem Weg zur Vorführung, den sie über Wochen hin gegangen sind, haben sie gespürt: Ich bin wertvoll auch ohne gute Noten, denn es gibt jemanden, der steht zu mir und glaubt an mich. Und das war nicht immer perfekt!

Aber dieses Empfinden, diesen Glauben haben sie dann weitergegeben an die Menschen, die da waren und sie erlebten.
Apostel, Botschafter Jesu Christi wird man, indem Jesus Christus an uns glaubt und wir an ihn glauben, und andere auf diesen Weg mitnehmen.
Und den einen oder die andere können auch wir anstecken, zum Glauben führen.
Ein Glaube, der das Leben stark macht, der uns Kraft gibt und der uns auch immer wieder aus der Sch …… aus dem Schlamassel des Lebens rausführen kann, weil wir nie alleine sind – nie – auch nicht, wenn wir Mist gemacht haben.

Es macht stolz und froh so einen Gott, aber auch so einen Papa, solche Eltern zu haben.
Gott sei Dank!

Amen

 

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